Danke erneut für Ihr sehr starkes Video, Herr Fervers. Bezüglich des dritten Beispiels des Leistungsbegriffes (16:38) hätte ich eine Frage. Dort sprechen Sie vom Verweis auf die Vorschriften der kaufrechtlichen Mängelrechte (§§437ff. BGB). Würde hier nicht der Mängelanspruch des K aufgrund unzulässiger Selbstvornahme untergehen ? Würde dann die Lex-Specialis Sperrwirkung weiterhin bestehen? Oder wäre dies sowieso irrelevant, weil ja - vom Rechtsgedanken her - die Wertung des Rechtes zur Zweiten Andienung auch den bereicherungsrechtlichen (und ggf. den GoA-) Anspruch vernichten würde ? Die Frage bezieht sich allgemein darauf, inwieweit das Bereicherungsrecht bei einer von der Rechtsordnung als unzulässig normierte Selbstvornahme Anwendung findet. Danke im Voraus für Ihre Erklärung.
Es ging mir hier nur darum zu zeigen, was die Leistungskondiktion von der Nichtleistungskondiktion unterscheidet. Dass der Käufer für eine Selbstvornahme ohne vorherige Fristsetzung nach hM keinen Ersatz verlangen kann, wird hiervon nicht berührt. Deshalb steht auch auf der Folie, dass die §§ 437 ff. BGB einen möglichen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB verdrängen würden. Zwar liegt die Nichtleistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB tatbestandlich vor; nach hM würde aber eben der Vorrang der Nacherfüllung zulasten des Verkäufers umgangen, wenn der Käufer den Verkäufer einfach eigenmächtig von der Nacherfüllungsverbindlichkeit befreien und die Kosten dafür in Rechnung stellen könnte. Herzliche Grüße!!
Einfach nur wow... Die Art, wie Sie Jura erklären, ist einfach genial! Leider habe ich dennoch nicht die erhoffte Lösung gefunden. Gibt es von Ihnen ein Video zu der Zweckverfehlungskondiktion bzgl. der Konkurrenz zu der Störung der Geschäftsgrundlage? Und leider habe ich auch keine wirklich einheitliche Lösung in Lehrbüchern und Kommentaren zu den Fällen einer enttäuschten Vergütungserwartung (unentgeltliche Dienstleistungen in Erwartungen einer letztwilligen Zuwendung) gefunden. Wie würden Sie den Fall lösen?
Vielen herzlichen Dank für Ihr Kompliment! Die Abgrenzung von § 313 BGB einerseits und § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB ist heillos umstritten - deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Sie keine einheitliche Lösung dazu finden. Dass man sich über das Verhältnis streitet, ist ebenfalls kaum überraschend, weil beide Rechtsinstitute ein ähnliches Sachproblem lösen. In beiden Fällen geht es um die Frage, ob und inwieweit enttäuschte bzw. fehlgeschlagene Erwartungen Rechtsfolgen auslösen können. In der Tendenz geht die h.M. dahin, einen Vorrang des § 313 BGB anzunehmen. Völlig inkonsequent ist das nicht, denn § 313 BGB steht dem Rechtsinstitut der ergänzenden Vertragsauslegung zumindest extrem nahe, sodass man annehmen kann, dass § 313 BGB als vertraglicher Rechtsbehelf Vorrang vor bereicherungsrechtlichen Rechtsbehelfen haben muss (s MüKoBGB/Finkenauer, 9. Aufl. 2022, § 313 Rn. 180). Der BGH ist insofern ausgeschert, als er einerseits formuliert hat, § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB setze eine Zweckabrede voraus und dann andererseits geäußert hat, bei Fehlen einer solchen Zweckabrede komme § 313 BGB in Betracht (BGH 9.7.2008 - XII ZR 179/05 Rn. 34 ff., 40)- was nach einem Vorrang für § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB klingt. In der Klausur können Sie hier natürlich beides vertreten. Herzliche Grüße!!
Sehr geehrter Herr Professor Fervers, in einem ihrer Videos meinten Sie, soweit ich mich richtig erinnere, dass das Prinzip des Vorrangs der Leistungsbeziehung zwei Ausprägungen kenne: Eine sei der Ausschluss der Versionsklage. Welches ist die andere Ausprägung? Mir ist nämlich auch nur der Ausschluss der Versionsklage bekannt, und ich habe auch kein anderes gefunden. Vielen Dank im Voraus für eine Antwort.
Tatsächlich ist der Ausschluss der Versionsklage die entlegenere der beiden Ausprägungen (wenn man sie überhaupt als Ausprägung bezeichnen will). Der Ausschluss der Versionsklage bedeutet: Wer zur Erfüllung einer Verbindlichkeit etwas leistet, kann dies nicht im Wege der Eingriffskondiktion von einem Dritten zurückfordern. Beispiel: Besitzer B bringt das Auto des E zu Werkunternehmer U in die Werkstatt und gibt eine Reparatur in Auftrag. Wenn nun U diese Reparatur vornimmt, kann er nicht nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB den E in Anspruch nehmen und sich darauf berufen, seine Arbeiten hätten E bereichert. Denn mit seinen Arbeiten hat U eine Leistung gegenüber seinem Vertragspartner B erbracht, sodass er auch das Insolvenzrisiko von B tragen soll. Die andere Ausprägung ist der Vorrang der Leistungsbeziehungen im engeren Sinne. Hierzu der Schulfall: E leiht dem B eine Sache, der sie an den gutgläubigen D veräußert. D erwirbt nach § 932 BGB gutgläubig Eigentum und kann auch nicht von E nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB auf Rückgabe und Rückübereignung in Anspruch genommen werden. Denn D hat das Eigentum durch Leistung des B erlangt und wer etwas durch die Leistung eines anderen erlangt, muss das Erlangte nicht im Wege der Nichtleistungskondiktion an einen Dritten herausgeben. Nur fürs Protokoll: Ich halte den Vorrang der Leistungskondiktion im engeren Sinne für einen ziemlichen Unsinn (s. Schmidt-Futterer/Fervers, 16. Aufl. 2024, Vor §§ 535 ff. Rn. 121). In der Klausur muss Sie das aber nicht weiter kümmern.
@@Jura-Vorlesungen Vielen Dank für die tolle Erklärung und für den Literaturhinweis. Verstehe ich Sie in dem Literaturhinweis richtig, dass sie einen generellen Vorrang der Leistungskondiktion deshalb ablehnen, weil dieses Prinzip die Regeln zum Gutglaubenserwerb umgeht: Der Bereicherungsschuldner müsste demnach selbst dann nicht an den Gläubiger herausgeben, wenn er die Sache nicht einmal gutgläubig erworben hat (angenommen, es liegt kein Fall des EBV vor wegen der Sperrwirkung). Stattdessen schlagen Sie Folgendes vor: Wenn der Schuldner die Sache nicht gutgläubig erworben hat, so darf er sich im Bereicherungsrecht auch nicht auf den Vorrang der Leistungsbeziehung berufen.
@@jw1209 Ganz grob gesagt würde ich einfach meinen, dass es nicht ernsthaft einen Grundsatz geben kann, wonach man das, was man bekommen hat, nicht wieder an einen Dritten herausgeben muss. In Ausnahmefällen ist das so, nämlich beim gutgläubigen Erwerb. Dass in diesem Fall der Erwerber die Sache nicht herausgeben muss, liegt aber dann eben nicht am „Vorrang der Leistungskondiktion", sondern daran, dass der Erwerber gutgläubig erworben hat und dass der gutgläubige Erwerb kondiktionsfest sein muss (andernfalls könnte man ihn sich sparen). Überspitzt gesagt ist das ein bisschen wie bei Kindern und dem Klapperstorch. Nur, weil häufig Klapperstörche gesichtet werden, wenn Kinder geboren werden, bedeutet das nicht, dass der Klapperstorch die Kinder auch gebracht hat. Ebenso wenig ist ein frei schwebender „Vorrang der Leistungskondiktion" die Ursache dafür, dass der gutgläubige Erwerber die Sache nicht herausgeben muss (auch wenn es in diesem konkreten Fall zufällig passt). Herzliche Grüße!!
Recht herzlichen Dank!
Sehr gerne und vielen Dank für Ihren Kommentar!!
Danke erneut für Ihr sehr starkes Video, Herr Fervers. Bezüglich des dritten Beispiels des Leistungsbegriffes (16:38) hätte ich eine Frage. Dort sprechen Sie vom Verweis auf die Vorschriften der kaufrechtlichen Mängelrechte (§§437ff. BGB). Würde hier nicht der Mängelanspruch des K aufgrund unzulässiger Selbstvornahme untergehen ? Würde dann die Lex-Specialis Sperrwirkung weiterhin bestehen? Oder wäre dies sowieso irrelevant, weil ja - vom Rechtsgedanken her - die Wertung des Rechtes zur Zweiten Andienung auch den bereicherungsrechtlichen (und ggf. den GoA-) Anspruch vernichten würde ? Die Frage bezieht sich allgemein darauf, inwieweit das Bereicherungsrecht bei einer von der Rechtsordnung als unzulässig normierte Selbstvornahme Anwendung findet. Danke im Voraus für Ihre Erklärung.
Es ging mir hier nur darum zu zeigen, was die Leistungskondiktion von der Nichtleistungskondiktion unterscheidet. Dass der Käufer für eine Selbstvornahme ohne vorherige Fristsetzung nach hM keinen Ersatz verlangen kann, wird hiervon nicht berührt. Deshalb steht auch auf der Folie, dass die §§ 437 ff. BGB einen möglichen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB verdrängen würden. Zwar liegt die Nichtleistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB tatbestandlich vor; nach hM würde aber eben der Vorrang der Nacherfüllung zulasten des Verkäufers umgangen, wenn der Käufer den Verkäufer einfach eigenmächtig von der Nacherfüllungsverbindlichkeit befreien und die Kosten dafür in Rechnung stellen könnte. Herzliche Grüße!!
Einfach nur wow... Die Art, wie Sie Jura erklären, ist einfach genial!
Leider habe ich dennoch nicht die erhoffte Lösung gefunden. Gibt es von Ihnen ein Video zu der Zweckverfehlungskondiktion bzgl. der Konkurrenz zu der Störung der Geschäftsgrundlage? Und leider habe ich auch keine wirklich einheitliche Lösung in Lehrbüchern und Kommentaren zu den Fällen einer enttäuschten Vergütungserwartung (unentgeltliche Dienstleistungen in Erwartungen einer letztwilligen Zuwendung) gefunden. Wie würden Sie den Fall lösen?
Vielen herzlichen Dank für Ihr Kompliment! Die Abgrenzung von § 313 BGB einerseits und § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB ist heillos umstritten - deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Sie keine einheitliche Lösung dazu finden. Dass man sich über das Verhältnis streitet, ist ebenfalls kaum überraschend, weil beide Rechtsinstitute ein ähnliches Sachproblem lösen. In beiden Fällen geht es um die Frage, ob und inwieweit enttäuschte bzw. fehlgeschlagene Erwartungen Rechtsfolgen auslösen können.
In der Tendenz geht die h.M. dahin, einen Vorrang des § 313 BGB anzunehmen. Völlig inkonsequent ist das nicht, denn § 313 BGB steht dem Rechtsinstitut der ergänzenden Vertragsauslegung zumindest extrem nahe, sodass man annehmen kann, dass § 313 BGB als vertraglicher Rechtsbehelf Vorrang vor bereicherungsrechtlichen Rechtsbehelfen haben muss (s MüKoBGB/Finkenauer, 9. Aufl. 2022, § 313 Rn. 180). Der BGH ist insofern ausgeschert, als er einerseits formuliert hat, § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB setze eine Zweckabrede voraus und dann andererseits geäußert hat, bei Fehlen einer solchen Zweckabrede komme § 313 BGB in Betracht (BGH 9.7.2008 - XII ZR 179/05 Rn. 34 ff., 40)- was nach einem Vorrang für § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB klingt.
In der Klausur können Sie hier natürlich beides vertreten. Herzliche Grüße!!
@@Jura-Vorlesungen vielen vielen Dank 🙏🏼
Sehr geehrter Herr Professor Fervers, in einem ihrer Videos meinten Sie, soweit ich mich richtig erinnere, dass das Prinzip des Vorrangs der Leistungsbeziehung zwei Ausprägungen kenne: Eine sei der Ausschluss der Versionsklage. Welches ist die andere Ausprägung? Mir ist nämlich auch nur der Ausschluss der Versionsklage bekannt, und ich habe auch kein anderes gefunden. Vielen Dank im Voraus für eine Antwort.
Tatsächlich ist der Ausschluss der Versionsklage die entlegenere der beiden Ausprägungen (wenn man sie überhaupt als Ausprägung bezeichnen will). Der Ausschluss der Versionsklage bedeutet: Wer zur Erfüllung einer Verbindlichkeit etwas leistet, kann dies nicht im Wege der Eingriffskondiktion von einem Dritten zurückfordern. Beispiel: Besitzer B bringt das Auto des E zu Werkunternehmer U in die Werkstatt und gibt eine Reparatur in Auftrag. Wenn nun U diese Reparatur vornimmt, kann er nicht nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB den E in Anspruch nehmen und sich darauf berufen, seine Arbeiten hätten E bereichert. Denn mit seinen Arbeiten hat U eine Leistung gegenüber seinem Vertragspartner B erbracht, sodass er auch das Insolvenzrisiko von B tragen soll.
Die andere Ausprägung ist der Vorrang der Leistungsbeziehungen im engeren Sinne. Hierzu der Schulfall: E leiht dem B eine Sache, der sie an den gutgläubigen D veräußert. D erwirbt nach § 932 BGB gutgläubig Eigentum und kann auch nicht von E nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB auf Rückgabe und Rückübereignung in Anspruch genommen werden. Denn D hat das Eigentum durch Leistung des B erlangt und wer etwas durch die Leistung eines anderen erlangt, muss das Erlangte nicht im Wege der Nichtleistungskondiktion an einen Dritten herausgeben.
Nur fürs Protokoll: Ich halte den Vorrang der Leistungskondiktion im engeren Sinne für einen ziemlichen Unsinn (s. Schmidt-Futterer/Fervers, 16. Aufl. 2024, Vor §§ 535 ff. Rn. 121). In der Klausur muss Sie das aber nicht weiter kümmern.
@@Jura-Vorlesungen Vielen Dank für die tolle Erklärung und für den Literaturhinweis. Verstehe ich Sie in dem Literaturhinweis richtig, dass sie einen generellen Vorrang der Leistungskondiktion deshalb ablehnen, weil dieses Prinzip die Regeln zum Gutglaubenserwerb umgeht: Der Bereicherungsschuldner müsste demnach selbst dann nicht an den Gläubiger herausgeben, wenn er die Sache nicht einmal gutgläubig erworben hat (angenommen, es liegt kein Fall des EBV vor wegen der Sperrwirkung). Stattdessen schlagen Sie Folgendes vor: Wenn der Schuldner die Sache nicht gutgläubig erworben hat, so darf er sich im Bereicherungsrecht auch nicht auf den Vorrang der Leistungsbeziehung berufen.
@@jw1209 Ganz grob gesagt würde ich einfach meinen, dass es nicht ernsthaft einen Grundsatz geben kann, wonach man das, was man bekommen hat, nicht wieder an einen Dritten herausgeben muss. In Ausnahmefällen ist das so, nämlich beim gutgläubigen Erwerb. Dass in diesem Fall der Erwerber die Sache nicht herausgeben muss, liegt aber dann eben nicht am „Vorrang der Leistungskondiktion", sondern daran, dass der Erwerber gutgläubig erworben hat und dass der gutgläubige Erwerb kondiktionsfest sein muss (andernfalls könnte man ihn sich sparen). Überspitzt gesagt ist das ein bisschen wie bei Kindern und dem Klapperstorch. Nur, weil häufig Klapperstörche gesichtet werden, wenn Kinder geboren werden, bedeutet das nicht, dass der Klapperstorch die Kinder auch gebracht hat. Ebenso wenig ist ein frei schwebender „Vorrang der Leistungskondiktion" die Ursache dafür, dass der gutgläubige Erwerber die Sache nicht herausgeben muss (auch wenn es in diesem konkreten Fall zufällig passt). Herzliche Grüße!!