Sehr geehrter Herr Dr. Fervers Danke für ihre tolle Vorlesung. Diese habe ich bisher genossen, wie alle Vorlesungen von Ihnen. Wirklich ganz starke Leistung! Und nun erfrage ich Sie um Erleuchtung bezüglich des Bereicherungsrechts. Meine Frage beschäftigt sich mit der Bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung, wenn ein Vertrag zugunsten Dritter vorliegt. Dazu folgender Fall. Beispiel: G kauft bei S ein Fahrrad für seine Tochter D, dass er ihr Schenken will, wobei sein Schenkungsversprechen notariell beurkundet ist. Dabei soll D gegenüber S einen eigenen Herausgabeanspruch haben und S das Fahrrad an D liefern. Nachdem das Fahrrad von S an D übergeben und übereignet wurde, stellt sich später heraus das der Kaufvertrag nichtig ist. Meine Frage ist hierbei, wie die Rückabwicklung funktionieren soll, also wenn S das Fahrrad von D kondizieren will. Einerseits liest man in den Lehrbüchern dass eine Direktkondiktion ausgeschlossen ist (siehe unten) andererseits wird bei unentgeltlichen Erwerb des Dritten eine Kondiktion über 812 I 1 Alt. 1 oder 822 BGB zugelassen, wiederum andere § 822 BGB analog. Um Ihnen meine Probleme mit den Fall dazustellen hier ein Lösungsansatz auf Basis von § 812 und 822 BGB 1.Herausgabeanspruch § 812 I 1 Alt. 1 BGB des S gegen D A.Anspruch entstanden I.Etwas erlangt: S hat Eigentum und Besitz an dem Fahrrad als Vermögenswerten Vorteil erlangt. II.Durch Leistung des S? Eine Leistung ist jede bewusste und Zweckgerichte Mehrung fremden Vermögens. Zweckgerichtet ist die Leistung, wenn sie zur Erfüllung einer wenn auch nur vermeintlichen Verbindlichkeit getätigt wird. Die Beurteilung der Zwecksetzung bzw. Tilgungsbestimmung erfolgt nach dem obj. Empfängerhorizont in der Person des Leistungsempfängers nach § 133, 157 BGB analog. 1.Deckungsverhältnis: Im Deckungsverhältnis (§ 433 BGB) hat S durch die Zuwendung an D den Zweck verfolgt seine Verpflichtung aus §§ 433, 335 BGB gegen G zu erfüllen. 2.Valutaverhältnis: Im Valutaverhältnis (§ 516 BGB) hat S durch die Zuwendung an D den Zweck verfolgt, den G von seiner Verbindlichkeit gegenüber D zu befreien. 3.Vollziehungsverhältnis: Im Vollzugsverhältnis hat der S durch die Zuwendung an D den Zweck verfolgt, seine Pflicht aus § 433 I 1 iVm 328 I BGB zu erfüllen. 4.Ergebnis: Eine Zwecksetzung würde so in jedem Verhältnis vorliegt, sodass eine Leistungsbeziehung zwischen S und D vorliegt. Dies hätte jedoch zur Folge, dass S bei D direkt kondizieren könnte, obwohl D gar nicht selbst Vertragspartner im Deckungsverhältnis ist, sondern nur Gläubiger der Leistung ist gem. § 433 I 1 iVm 328 I, II BGB. Fraglich ist, ob dieses Ergebnis hingenommen werden muss, oder einer Korrektur durch bereicherungsrechtliche Wertungen zugänglich ist. 5.Berücksichtigung des Vertrags zugunsten Dritter In Bereicherungsrechtlichen Mehrpersonenverhältnissen verbietet sich jede Schematische Lösung, sodass auch hierbei die vertraglichen (§ 328) und gesetzlichen Schutzrichtungen (816 I 2 / 822 BGB) bei der Rückabwicklung zu Berücksichtigen sind, um eine Interessengerechte Rückabwicklung herzustellen. a)Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 I, II BGB Bei einem Vertrag zugunsten Dritter soll der Dritte auf Basis der Vereinbarung vom Versprechenden (S) und Versprechensempfänger (G) einen eigenen Forderungsanspruch erwerben gegen den Versprechenden gem. § 433 I 1 iVm 328 I, II BGB. Sinn und Zweck dieser Vereinbarung ist die Rechtsstellung des Dritten zu stärken. Eine Direktkondiktion würde jedoch diese Zielsetzung durchkreuzen, soweit man sie zulässt, sodass hierbei ein Argument gegen die Direktkondiktion zu verzeichnen ist. b)Unechter Vertrag zugunsten Dritter (§§ 362 II, 185 BGB) Für diese Beurteilung spricht auch, dass bei einem Unechten Vertrag zugunsten Dritter (§ 362 II, 185 I BGB) die Rückabwicklung ebenfalls innerhalb der Leistungsbeziehungen zu erfolgen hat bzw. eine Rückabwicklung übers Eck. Demzufolge wäre es widersprüchlich den Dritten bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter stärker zu belasten mit einem zusätzlichen Bereicherungsgläubiger, als bei einem unechten Vertrag zugunsten Dritter. c)Ausnahme wegen Unentgeltlichkeit im Valutaverhältnis (Wertung aus § 822 / 816 I 2 BGB) ? Nach dem bereits oben gesagten wäre der Kondiktionsanspruch des S gegen D gesperrt, soweit man auf den Vorrang der Leistungsbeziehungen abstellt und nur den Vertrag zugunsten Dritter berücksichtigt. aa)Abgekürzte Lieferung / Anweisungslage Nach der h.M. (sofern sie das ist) gilt auch dieser Grundsatz beim Vertrag zugunsten Dritter, wenn er dem Fall der abgekürzten Lieferkette entspricht (andere ziehen den Vergleich auch zur Anweisungslage), d.h. der Versprechende (S) kann vom Versprechensempfänger (G) kondizieren und der Versprechensempfänger (G) beim Dritten (D). Die Rückabwicklung soll also beim Vertrag zugunsten Dritter auch übers Eck erfolgen. bb)Valutaverhältnis: Unentgeltlich Der vorliegende Fall ist aber doch gar nicht exakt vergleichbar mit dem Fall der abgekürzten Lieferkette. Denn das Valutaverhältnis zwischen G und S ist ein Schenkungsvertrag (516 BGB) und damit unentgeltlich. Nach den Wertungen aus § 822 und 816 I 2 BGB ist aber der unentgeltlich gutgläubige Erwerb, weniger schutzwürdig, als derjenige der auf ein Gegenseitigkeitsverhältnis beruht. Deshalb stellen diese Vorschriften auch Ausnahmen dar. Ihre Wertungen sind jedoch bei Bereicherungsrechtlichen Mehrpersonenverhältnissen mitzuberücksichtigen. Legt man diese Wertungen zu Grunde so wäre eine Ausnahme zu machen, sodass eine Direktkondiktion von S gegen D doch zulässig ist. Dafür spricht auch die Zwecksetzung aus § 433 I iVm 328 I BGB, wenn der S auf eine vermeintliche Schuld leistet, die gar nicht besteht (hier wegen Nichtigkeit). Frage: Wäre dieses Ergebnis Falsch bzw. nicht vertretbar im vorliegenden Fall ? III.Ohne Rechtsgrund Der Kaufvertrag mit der Ausgestaltung als Vertrag zugunsten Dritter gem. §§ 433 iVm 328 I BGB besteht als Rechtsgrund nicht mehr. IV.Rechtsfolge: Rückgabe und Rückübereignung des Fahrrads von D an S gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB. 2.)Herausgabeanspruch aus § 822 BGB des S gegen D A.Anspruch entstanden I.Bereicherungsanspruch gegen den Erstempfänger: S gegen G gem. § 812, 818 BGB S hätte gegen G einen Bereicherungsanspruch auf § 812 I 1 Alt. 1, 818 II BGB auf Wertersatz II.Zuwendung des erlangten an den Bereicherungsschuldner Der Erstempfänger müsste das Erlangte (Eigentum und Besitz am Fahrrad) dem Bereicherungsschuldner (hier S) zugewendet haben. Dies würde eine rechtsgeschäftliche Übertragung voraussetzen nach § 929 ff. BGB. Eine rechtsgeschäftliche Übertragung lag jedoch nur von S an D vor. G hat selbst in Person das Fahrrad nicht durch Rechtsgeschäft zugewendet, sondern allenfalls den S dazu veranlasst. Vorliegen hat nur S das Fahrrad an D übereignet und übergeben nach § 929 S. 1, 854 I BGB. Frage: Wie kann man dann hier auf die Idee kommen auf § 822 BGB in dieser Konstellation zu kommen. Habe ich ein Logikfehler oder irgendwas übersehen? Nach meiner Bewertung würde bisher nur der Weg über § 812 I 1 Alt. 1 BGB Sinn machen, um eine Direktkondiktion zuzulassen, die ich bisher für vertretbar halte.
Bei Verträgen zugunsten Dritter ist es umstritten, welche Leistung der Versprechende erfüllt. Da der Versprechende mit der Leistung §335 und §328 "erfüllt". mM: Wortlaut des §328 -> Leistet stets an Dritten hM/BGH: Grundsatz ist die Rückabwicklung zwischen den jeweiligen Parteien, die am fehlerhaften Rechtsgeschäft beteiligt sind. -> Hier ist das Deckungsverhältnis (§433) fehlerhaft. Also wird nur zwischen diesen beiden (Versprechensempfänger und Versprechender) rückabgeweickelt. -> Ausnahme, wo eine Durchgriffskondiktion möglich ist nach BGH: Fall des §330 oder wenn die Parteien vertraglich §335 ausschließen. Dann liegt ganz klar eine Leistung an den Dritten vor. Würden wir normal die Leistungsverhältnisse durchgehen, so müssten wir prüfen, ob der Versprechende gg den Versprechsempfänger einen Hrsg.-Anspruch nach 812 I 1 Alt. 1 hat. Dies verneinen wird aufgrund der Entreicherung gem. §818 III, da er den Gegenstand verschenkt hat bzw. der Gegenstand nicht in seinem Vermögen ist. Dritter wurde unentgeltlich bereichert und der Anspruch des Versprechenden gg den Versprechensempfänger scheitert aufgrund 818 III. Dies könnte ein Fall des §822 sein. Jedoch scheitert §822 bei der unmittelbaren Anwendung, da die Entreicherung durch die Übergabe des Versprechenden erfolgt und nicht durch die Übergabe des Versprechensempfänger. Ich denke, dass §822 eine typisches Kettenverhältnis verlangt (A -- §433 --> B , B --- §516 --> C) Dies ist ja beim VzD nicht der Fall. Man nimmt also §822 analog, um einen Hrsg. Anspruch des Versprechenden ggü. den Dritten zu ermöglichen. So steht es im Looschelder zumindest. Ich denke, dass man über die Analogie diskutieren kann, da §822 eine Ausnahmevorschrift ist, denn sie erlaubt eine Durchgriffskondiktion. Jedoch ist das Ergebnis mMn. zutreffend. Also so hätte ich deinen Fall gelöst. §812 I 1 Alt. 1 scheitert gg den Dritten, da nach hM. keine Leistung vorliegt. Dann müsstest du noch andere §§ prüfen, da §822 subisidär ist. Jedoch müsstest du die §§ verneinen und bei §822 landen und dann ihn analog nehmen.
39:58 Min: Sie sind kein Professor für Strafrecht und wissen trotzdem noch die genaue Variante von § 265a StGB. Und auch sonst nennen Sie immer ganz präzise die Norm mit Absatz, Satz und Variante/(Alternative). Sich das alles in so vielen Bereichen merken zu können ist (selbst für einen Prof) krass 😮
Herzlichen Dank für Ihr Kompliment! Tatsächlich hat sich das Strafrecht bei mir (keine Ahnung) warum, ganz gut erhalten (zumindest gemessen daran, dass ich mich 2013 zum letzten Mal damit beschäftigt habe). Im Öffentlichen Recht ist in meinem Kopf deutlich mehr verloren gegangen. Aber ich werde ja auch nicht jünger :) Herzliche Grüße!!
@@Jura-Vorlesungen Aber auch im Zivilrecht nennen die meisten Zivilrechtsprofessoren, die ich bisher gehört habe, „nur“ die Norm auswendig. Also oft auch mit dem entsprechenden Absatz, aber ohne den Satz oder gar die Variante. Also das ist schon im positiven Sinne außergewöhnlich.
Guten Tag Herr Fervers, vielen Dank für Ihre anschaulichen Darstellungen zum Bereicherungsrecht! Eine Frage stellt sich mir noch bzgl. der Saldotheorie bzw. der Rückabwicklung bei gegenseitigen Verträgen speziell bei der Anfechtung: Führt diese Art der Rückabwicklung nicht zu unbilligen Ergebnissen bei dem Anfechtenden (wenn dieser Bereicherungsgläubiger ist) und z.B. ein Kaufpreis niedriger als der Marktwert des Kaufgegenstandes ist? In Ihrem Beispiel ist das zerstörte Auto 20.000 € wert, der Kaufpreis betrug aber nur 19.000 €. Wenn der Verkäufer wirksam anficht, hat er nicht nur sein Auto unter Wert verkauft, sondern müsste nach der Saldotheorie auch noch gem. § 812 I 1 Alt.1 BGB 1.000 € an den Käufer zahlen (wenn ich das richtig verstehe). Reicht hierbei nicht die nach § 122 I BGB bestehende Schadensersatzpflicht des Anfechtenden? Diese tritt ja dann nicht ein, wenn der andere Teil (also der Bereicherungsschuldner) die Anfechtbarkeit kannte/kennen musste (§ 122 II BGB) - diese gesetzliche Wertung würde dann aber über die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach der Saldotheorie unterlaufen werden. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen - bis dahin wünsche ich Ihnen ein schönes Pfingstwochenende! Beste Grüße
Wenn ich es richtig sehe, liegt hier ein Missverständnis vor, in meinem Beispiel ist es umgekehrt: Der Marktwert beträgt 19.000 € und der Kaufpreis 20.000 €. Und dann ist es auch nicht unbillig, dass V von dem Kaufpreis in Höhe von 20.000 €, den er rechtsgrundlos erhalten hat, wieder 1.000 € an K abdrücken muss. Herzliche Grüße!!
Lieber Herr Fervers, zur Saldotheorie schreiben Sie auf der Folie, dass 1. Saldiert wird und 2. die eigene Entreicherung zum Abzugsposten beim eigenen Bereicherungsanspruch wird (Ab 1:09). Wenn ich dann aber erst die Ansprüche saldiere, komme ich zu einem Anspruch des K gegen V iHv 1.000 EUR. Wenn ich dann noch die eigene Entreicherung iHv 19.000 abziehe, komme ich doch bei 0 raus und nicht bei 1000? Ich verstehe nicht, wo Sie in Ihrer Lösung zunächst die Ansprüche saldiert haben. Viele Grüße
Tatsächlich ist die Saldotheorie ein derartiger „Sauhaufen", dass da kein Mensch mehr durchblickt, deshalb ist Ihre Frage berechtigt. Und meine Folie ist möglicherweise insofern etwas missverständlich, als mit „Schritt 1" und „Schritt 2" nicht gemeint ist, dass man zuerst das eine machen muss und dann das andere, sondern dass das die beiden Denkschritte der Saldotheorie sind. Es findet also eine Saldierung statt und im Rahmen dieser Saldierung muss man sich die eigene Entreicherung als Abzugsposten anrechnen lassen. Es ist deshalb nicht so, dass Sie in einem ersten Schritt sagen können „Ich saldiere jetzt zunächst mal ohne Abzugsposten und komme zu dem Ergebnis, dass sich der Anspruch auf 1.000 € reduziert". Denn wenn man saldieren würde, ohne die Entreicherung als Abzugsposten zu berücksichtigen, dann kämen Sie ja zu dem Ergebnis, dass V gar keinen Anspruch gegen K hätte (wegen § 818 Abs. 3 BGB), sodass Sie nicht bei 1.000 €, sondern nach wie vor bei 20.000 € sind. Aber dann kommt eben die Entreicherung ins Spiel und die wirkt (iHv 19.000 €) anspruchsmindernd. Herzliche Grüße!!
Sehr geehrter Herr Dr. Fervers, (1) ich habe eine Verständnisfrage zu den anerkannten Ausnahmefällen der Saldotheorie des BGH. Der - hinter diesen Ausnahmen stehende - Grundgedanke ist doch, dass eine unbillige Belastung durch die Gegenseitigkeit vermieden werden soll. Dies kann nur erreicht werden, soweit das Festhalten an einer Entscheidung auf einem " ordentlichen Willensbildungsprozess " beruht. Nur dann kann sichergestellt werden, dass die Saldierung und anschließende Mitberücksichtigung des Entreicherungswertes gerechtfertigt ist. Liege ich mit dieser Annahme richtig? (2) In welchem Spannungsverhältnis steht §346 I BGB zu den bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen ? Nochmals vielen Dank für das wertvolle Video und Ihre raschen Antworten.
1) Genau, das, was Flume „vermögensmäßige Entscheidung" genannt hat, umschreiben Sie (in der Sache ebenfalls zutreffend) mit "ordentlichem Willensbildungsprozess". 2) Ist der Gläubiger nach § 323 Abs 1 BGB zurückgetreten, dann ist § 346 Abs 1 BGB gegenüber den Ansprüchen nach §§ 812 ff. BGB vorrangig. Herzliche Grüße!!
@@Jura-Vorlesungen Ich hätte eine weitere (allgemein gerichtete) Verständnisfrage. Diesmal zum Problem der Minderjährigikeit im bereicherungsrechtlichen Rahmen. Angenommen, der Minderjährige M erlangt rechtsgrundlos ein Moped. Dieses zerstörte er fahrlässig, obwohl er davor von der Rechtsgrundslosigkeit und seiner Rückgabepflicht Kenntnis bekam. Von alledem wussten die Eltern nichts. Ist es nicht problematisch, dass man bei der Leistung eines Minderjährigen den TB der Leistung mit der Begründung bejaht, es gäbe (1) einen "natürlichen Leistungswillen" (h.M.) aber gleichzeitig (2) bei der LK auf die Kenntnis der Eltern für §819 I BGB (ebenfalls h.M.) abstellt ? Für (1) wird von der h.M. vorangebracht, dass die Zweckrichtung evident keine Willenserklärung sei. Bei (2) heißt es jedoch, dass §166 BGB analoge Anwendung finden sollte. Die Leistungskondiktion hätte ja vertragsähnlichen Charakter. Hier würde die LK zunächst wegen (1) in ihrem Tatbestand bejaht. Dies würde angesichts der Zerstörung zu einer Wertersatzpflicht führen, bei der wegen (2) M sich mangels §819 I BGB auf Entreicherung nach §818 III berufen könnte. Kurzgesagt: der andere Teil bleibt auf seinen "Schaden" sitzen. Gibt es hier kein Wertungswiderspruch ? Denn für mich bedeutet Vertragsähnlichkeit das Vorhandensein eines Willenselementes (vgl. §§145, 147 BGB + vertagsähnlichen Charakter des §§122 I, 179 BGB). Wenn man dieses Willenselement jedoch für die Leistung verneint, wie kann man dies dann für die Leistungskondiktion bejahen ? Ich hoffe, dass ich mich verständlich ausgedrückt habe. Erneut bedanke ich mich im Voraus für Ihre Antwort.
Hallo Herr Fervers, zunächst vielen Dank für alles. Wird es auch eine Vorlesungsreihe Schuldrecht AT von ihnen auf TH-cam geben und wenn ja, wann? Liebe Grüße
Herzlichen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse! Im kommenden Semester werde ich die Vorlesung Schuldrecht AT leider nicht übernehmen; aber wenn ich sie mal halte, dann werde ich sie bestimmt hier hochladen :) In der Zwischenzeit finden Sie immerhin einige schuldrechtliche Inhalte auf meinem Hauptkanal. Herzliche Grüße!!
Ich würde für die Klausur eine doppelte Begründung empfehlen: Einmal berufen Sie sich auf den Vorrang der Leistungskondiktion und darüber hinaus sagen Sie, dass § 932 BGB hier den Rechtsgrund für den gutgläubigen Erwerb bildet. In der Sache ist aus meiner Sicht so: Natürlich ist klar, dass der gutgläubige Erwerb kondiktionsfest sein muss; das ergibt sich zweifellos aus der Vorschrift des § 932 BGB. Unvorteilhaft ist es aber (wie gesagt: in der Sache, nicht in der Klausur), wenn man das auf den „Vorrang der Leistungskondiktion" stützt. Denn damit hat man einen Grundsatz erfunden, der hier zufälligerweise mal zum richtigen Ergebnis führt, den man aber dann in der Folge an der Backe hat und der in vielen Fällen auch zu evident falschen Ergebnissen führt. Überspitzt gesagt ist es wie mit Kindern und dem Klapperstorch: Mag sein, dass in Gebieten mit überdurchschnittlich vielen Kindern manchmal auf überdurchschnittlich viele Klapperstorche vorhanden sind. Trotzdem sollte man daraus nicht den Schluss ziehen, dass der Klapperstorch die Kinder bringt. Und ebenso wenig sollte man aus der Tatsache, dass (natürlich) der gutgläubige Erwerb kondiktionsfest ist, schlussfolgern, dass es einen allgemeinen Vorrang der Leistungskondiktion gibt. Aber wie gesagt nochmal: In der Klausur sollten Sie sich in dieser Konstellation auf den Vorrang der Leistungskondiktion berufen. Herzliche Grüße!!
Diese Reihe ist auch zu Ende!
Sie sind mit Abstand der beste Jurist Deutschlands!
Herzlichen Dank fürs Durchsehen/Durchhören und ich freu mich sehr, dass es Ihnen gefallen hat! Herzliche Grüße und weiterhin viel Erfolg!!
Sehr geehrter Herr Dr. Fervers Danke für ihre tolle Vorlesung. Diese habe ich bisher genossen, wie alle Vorlesungen von Ihnen. Wirklich ganz starke Leistung! Und nun erfrage ich Sie um Erleuchtung bezüglich des Bereicherungsrechts. Meine Frage beschäftigt sich mit der Bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung, wenn ein Vertrag zugunsten Dritter vorliegt. Dazu folgender Fall.
Beispiel: G kauft bei S ein Fahrrad für seine Tochter D, dass er ihr Schenken will, wobei sein Schenkungsversprechen notariell beurkundet ist. Dabei soll D gegenüber S einen eigenen Herausgabeanspruch haben und S das Fahrrad an D liefern. Nachdem das Fahrrad von S an D übergeben und übereignet wurde, stellt sich später heraus das der Kaufvertrag nichtig ist. Meine Frage ist hierbei, wie die Rückabwicklung funktionieren soll, also wenn S das Fahrrad von D kondizieren will.
Einerseits liest man in den Lehrbüchern dass eine Direktkondiktion ausgeschlossen ist (siehe unten) andererseits wird bei unentgeltlichen Erwerb des Dritten eine Kondiktion über 812 I 1 Alt. 1 oder 822 BGB zugelassen, wiederum andere § 822 BGB analog. Um Ihnen meine Probleme mit den Fall dazustellen hier ein Lösungsansatz auf Basis von § 812 und 822 BGB
1.Herausgabeanspruch § 812 I 1 Alt. 1 BGB des S gegen D
A.Anspruch entstanden
I.Etwas erlangt:
S hat Eigentum und Besitz an dem Fahrrad als Vermögenswerten Vorteil erlangt.
II.Durch Leistung des S?
Eine Leistung ist jede bewusste und Zweckgerichte Mehrung fremden Vermögens. Zweckgerichtet ist die Leistung, wenn sie zur Erfüllung einer wenn auch nur vermeintlichen Verbindlichkeit getätigt wird. Die Beurteilung der Zwecksetzung bzw. Tilgungsbestimmung erfolgt nach dem obj. Empfängerhorizont in der Person des Leistungsempfängers nach § 133, 157 BGB analog.
1.Deckungsverhältnis: Im Deckungsverhältnis (§ 433 BGB) hat S durch die Zuwendung an D den Zweck verfolgt seine Verpflichtung aus §§ 433, 335 BGB gegen G zu erfüllen.
2.Valutaverhältnis: Im Valutaverhältnis (§ 516 BGB) hat S durch die Zuwendung an D den Zweck verfolgt, den G von seiner Verbindlichkeit gegenüber D zu befreien.
3.Vollziehungsverhältnis: Im Vollzugsverhältnis hat der S durch die Zuwendung an D den Zweck verfolgt, seine Pflicht aus § 433 I 1 iVm 328 I BGB zu erfüllen.
4.Ergebnis: Eine Zwecksetzung würde so in jedem Verhältnis vorliegt, sodass eine Leistungsbeziehung zwischen S und D vorliegt. Dies hätte jedoch zur Folge, dass S bei D direkt kondizieren könnte, obwohl D gar nicht selbst Vertragspartner im Deckungsverhältnis ist, sondern nur Gläubiger der Leistung ist gem. § 433 I 1 iVm 328 I, II BGB. Fraglich ist, ob dieses Ergebnis hingenommen werden muss, oder einer Korrektur durch bereicherungsrechtliche Wertungen zugänglich ist.
5.Berücksichtigung des Vertrags zugunsten Dritter
In Bereicherungsrechtlichen Mehrpersonenverhältnissen verbietet sich jede Schematische Lösung, sodass auch hierbei die vertraglichen (§ 328) und gesetzlichen Schutzrichtungen (816 I 2 / 822 BGB) bei der Rückabwicklung zu Berücksichtigen sind, um eine Interessengerechte Rückabwicklung herzustellen.
a)Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 I, II BGB
Bei einem Vertrag zugunsten Dritter soll der Dritte auf Basis der Vereinbarung vom Versprechenden (S) und Versprechensempfänger (G) einen eigenen Forderungsanspruch erwerben gegen den Versprechenden gem. § 433 I 1 iVm 328 I, II BGB. Sinn und Zweck dieser Vereinbarung ist die Rechtsstellung des Dritten zu stärken. Eine Direktkondiktion würde jedoch diese Zielsetzung durchkreuzen, soweit man sie zulässt, sodass hierbei ein Argument gegen die Direktkondiktion zu verzeichnen ist.
b)Unechter Vertrag zugunsten Dritter (§§ 362 II, 185 BGB)
Für diese Beurteilung spricht auch, dass bei einem Unechten Vertrag zugunsten Dritter (§ 362 II, 185 I BGB) die Rückabwicklung ebenfalls innerhalb der Leistungsbeziehungen zu erfolgen hat bzw. eine Rückabwicklung übers Eck. Demzufolge wäre es widersprüchlich den Dritten bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter stärker zu belasten mit einem zusätzlichen Bereicherungsgläubiger, als bei einem unechten Vertrag zugunsten Dritter.
c)Ausnahme wegen Unentgeltlichkeit im Valutaverhältnis (Wertung aus § 822 / 816 I 2 BGB) ?
Nach dem bereits oben gesagten wäre der Kondiktionsanspruch des S gegen D gesperrt, soweit man auf den Vorrang der Leistungsbeziehungen abstellt und nur den Vertrag zugunsten Dritter berücksichtigt.
aa)Abgekürzte Lieferung / Anweisungslage
Nach der h.M. (sofern sie das ist) gilt auch dieser Grundsatz beim Vertrag zugunsten Dritter, wenn er dem Fall der abgekürzten Lieferkette entspricht (andere ziehen den Vergleich auch zur Anweisungslage), d.h. der Versprechende (S) kann vom Versprechensempfänger (G) kondizieren und der Versprechensempfänger (G) beim Dritten (D). Die Rückabwicklung soll also beim Vertrag zugunsten Dritter auch übers Eck erfolgen.
bb)Valutaverhältnis: Unentgeltlich
Der vorliegende Fall ist aber doch gar nicht exakt vergleichbar mit dem Fall der abgekürzten Lieferkette. Denn das Valutaverhältnis zwischen G und S ist ein Schenkungsvertrag (516 BGB) und damit unentgeltlich. Nach den Wertungen aus § 822 und 816 I 2 BGB ist aber der unentgeltlich gutgläubige Erwerb, weniger schutzwürdig, als derjenige der auf ein Gegenseitigkeitsverhältnis beruht. Deshalb stellen diese Vorschriften auch Ausnahmen dar. Ihre Wertungen sind jedoch bei Bereicherungsrechtlichen Mehrpersonenverhältnissen mitzuberücksichtigen. Legt man diese Wertungen zu Grunde so wäre eine Ausnahme zu machen, sodass eine Direktkondiktion von S gegen D doch zulässig ist. Dafür spricht auch die Zwecksetzung aus § 433 I iVm 328 I BGB, wenn der S auf eine vermeintliche Schuld leistet, die gar nicht besteht (hier wegen Nichtigkeit).
Frage: Wäre dieses Ergebnis Falsch bzw. nicht vertretbar im vorliegenden Fall ?
III.Ohne Rechtsgrund
Der Kaufvertrag mit der Ausgestaltung als Vertrag zugunsten Dritter gem. §§ 433 iVm 328 I BGB besteht als Rechtsgrund nicht mehr.
IV.Rechtsfolge: Rückgabe und Rückübereignung des Fahrrads von D an S gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB.
2.)Herausgabeanspruch aus § 822 BGB des S gegen D
A.Anspruch entstanden
I.Bereicherungsanspruch gegen den Erstempfänger: S gegen G gem. § 812, 818 BGB
S hätte gegen G einen Bereicherungsanspruch auf § 812 I 1 Alt. 1, 818 II BGB auf Wertersatz
II.Zuwendung des erlangten an den Bereicherungsschuldner
Der Erstempfänger müsste das Erlangte (Eigentum und Besitz am Fahrrad) dem Bereicherungsschuldner (hier S) zugewendet haben. Dies würde eine rechtsgeschäftliche Übertragung voraussetzen nach § 929 ff. BGB. Eine rechtsgeschäftliche Übertragung lag jedoch nur von S an D vor. G hat selbst in Person das Fahrrad nicht durch Rechtsgeschäft zugewendet, sondern allenfalls den S dazu veranlasst. Vorliegen hat nur S das Fahrrad an D übereignet und übergeben nach § 929 S. 1, 854 I BGB.
Frage: Wie kann man dann hier auf die Idee kommen auf § 822 BGB in dieser Konstellation zu kommen. Habe ich ein Logikfehler oder irgendwas übersehen? Nach meiner Bewertung würde bisher nur der Weg über § 812 I 1 Alt. 1 BGB Sinn machen, um eine Direktkondiktion zuzulassen, die ich bisher für vertretbar halte.
Bei Verträgen zugunsten Dritter ist es umstritten, welche Leistung der Versprechende erfüllt. Da der Versprechende mit der Leistung §335 und §328 "erfüllt".
mM: Wortlaut des §328 -> Leistet stets an Dritten
hM/BGH: Grundsatz ist die Rückabwicklung zwischen den jeweiligen Parteien, die am fehlerhaften Rechtsgeschäft beteiligt sind.
-> Hier ist das Deckungsverhältnis (§433) fehlerhaft. Also wird nur zwischen diesen beiden (Versprechensempfänger und Versprechender) rückabgeweickelt.
-> Ausnahme, wo eine Durchgriffskondiktion möglich ist nach BGH: Fall des §330 oder wenn die Parteien vertraglich §335 ausschließen. Dann liegt ganz klar eine Leistung an den Dritten vor.
Würden wir normal die Leistungsverhältnisse durchgehen, so müssten wir prüfen, ob der Versprechende gg den Versprechsempfänger einen Hrsg.-Anspruch nach 812 I 1 Alt. 1 hat. Dies verneinen wird aufgrund der Entreicherung gem. §818 III, da er den Gegenstand verschenkt hat bzw. der Gegenstand nicht in seinem Vermögen ist.
Dritter wurde unentgeltlich bereichert und der Anspruch des Versprechenden gg den Versprechensempfänger scheitert aufgrund 818 III. Dies könnte ein Fall des §822 sein.
Jedoch scheitert §822 bei der unmittelbaren Anwendung, da die Entreicherung durch die Übergabe des Versprechenden erfolgt und nicht durch die Übergabe des Versprechensempfänger. Ich denke, dass §822 eine typisches Kettenverhältnis verlangt (A -- §433 --> B , B --- §516 --> C) Dies ist ja beim VzD nicht der Fall.
Man nimmt also §822 analog, um einen Hrsg. Anspruch des Versprechenden ggü. den Dritten zu ermöglichen.
So steht es im Looschelder zumindest.
Ich denke, dass man über die Analogie diskutieren kann, da §822 eine Ausnahmevorschrift ist, denn sie erlaubt eine Durchgriffskondiktion. Jedoch ist das Ergebnis mMn. zutreffend.
Also so hätte ich deinen Fall gelöst. §812 I 1 Alt. 1 scheitert gg den Dritten, da nach hM. keine Leistung vorliegt. Dann müsstest du noch andere §§ prüfen, da §822 subisidär ist. Jedoch müsstest du die §§ verneinen und bei §822 landen und dann ihn analog nehmen.
39:58 Min: Sie sind kein Professor für Strafrecht und wissen trotzdem noch die genaue Variante von § 265a StGB. Und auch sonst nennen Sie immer ganz präzise die Norm mit Absatz, Satz und Variante/(Alternative). Sich das alles in so vielen Bereichen merken zu können ist (selbst für einen Prof) krass 😮
Herzlichen Dank für Ihr Kompliment! Tatsächlich hat sich das Strafrecht bei mir (keine Ahnung) warum, ganz gut erhalten (zumindest gemessen daran, dass ich mich 2013 zum letzten Mal damit beschäftigt habe). Im Öffentlichen Recht ist in meinem Kopf deutlich mehr verloren gegangen. Aber ich werde ja auch nicht jünger :) Herzliche Grüße!!
@@Jura-Vorlesungen Aber auch im Zivilrecht nennen die meisten Zivilrechtsprofessoren, die ich bisher gehört habe, „nur“ die Norm auswendig. Also oft auch mit dem entsprechenden Absatz, aber ohne den Satz oder gar die Variante. Also das ist schon im positiven Sinne außergewöhnlich.
Guten Tag Herr Fervers,
vielen Dank für Ihre anschaulichen Darstellungen zum Bereicherungsrecht!
Eine Frage stellt sich mir noch bzgl. der Saldotheorie bzw. der Rückabwicklung bei gegenseitigen Verträgen speziell bei der Anfechtung: Führt diese Art der Rückabwicklung nicht zu unbilligen Ergebnissen bei dem Anfechtenden (wenn dieser Bereicherungsgläubiger ist) und z.B. ein Kaufpreis niedriger als der Marktwert des Kaufgegenstandes ist?
In Ihrem Beispiel ist das zerstörte Auto 20.000 € wert, der Kaufpreis betrug aber nur 19.000 €. Wenn der Verkäufer wirksam anficht, hat er nicht nur sein Auto unter Wert verkauft, sondern müsste nach der Saldotheorie auch noch gem. § 812 I 1 Alt.1 BGB 1.000 € an den Käufer zahlen (wenn ich das richtig verstehe).
Reicht hierbei nicht die nach § 122 I BGB bestehende Schadensersatzpflicht des Anfechtenden? Diese tritt ja dann nicht ein, wenn der andere Teil (also der Bereicherungsschuldner) die Anfechtbarkeit kannte/kennen musste (§ 122 II BGB) - diese gesetzliche Wertung würde dann aber über die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach der Saldotheorie unterlaufen werden.
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen - bis dahin wünsche ich Ihnen ein schönes Pfingstwochenende!
Beste Grüße
Wenn ich es richtig sehe, liegt hier ein Missverständnis vor, in meinem Beispiel ist es umgekehrt: Der Marktwert beträgt 19.000 € und der Kaufpreis 20.000 €. Und dann ist es auch nicht unbillig, dass V von dem Kaufpreis in Höhe von 20.000 €, den er rechtsgrundlos erhalten hat, wieder 1.000 € an K abdrücken muss. Herzliche Grüße!!
Lieber Herr Fervers, zur Saldotheorie schreiben Sie auf der Folie, dass 1. Saldiert wird und 2. die eigene Entreicherung zum Abzugsposten beim eigenen Bereicherungsanspruch wird (Ab 1:09). Wenn ich dann aber erst die Ansprüche saldiere, komme ich zu einem Anspruch des K gegen V iHv 1.000 EUR. Wenn ich dann noch die eigene Entreicherung iHv 19.000 abziehe, komme ich doch bei 0 raus und nicht bei 1000? Ich verstehe nicht, wo Sie in Ihrer Lösung zunächst die Ansprüche saldiert haben. Viele Grüße
Tatsächlich ist die Saldotheorie ein derartiger „Sauhaufen", dass da kein Mensch mehr durchblickt, deshalb ist Ihre Frage berechtigt. Und meine Folie ist möglicherweise insofern etwas missverständlich, als mit „Schritt 1" und „Schritt 2" nicht gemeint ist, dass man zuerst das eine machen muss und dann das andere, sondern dass das die beiden Denkschritte der Saldotheorie sind. Es findet also eine Saldierung statt und im Rahmen dieser Saldierung muss man sich die eigene Entreicherung als Abzugsposten anrechnen lassen. Es ist deshalb nicht so, dass Sie in einem ersten Schritt sagen können „Ich saldiere jetzt zunächst mal ohne Abzugsposten und komme zu dem Ergebnis, dass sich der Anspruch auf 1.000 € reduziert". Denn wenn man saldieren würde, ohne die Entreicherung als Abzugsposten zu berücksichtigen, dann kämen Sie ja zu dem Ergebnis, dass V gar keinen Anspruch gegen K hätte (wegen § 818 Abs. 3 BGB), sodass Sie nicht bei 1.000 €, sondern nach wie vor bei 20.000 € sind. Aber dann kommt eben die Entreicherung ins Spiel und die wirkt (iHv 19.000 €) anspruchsmindernd. Herzliche Grüße!!
Sehr geehrter Herr Dr. Fervers,
(1) ich habe eine Verständnisfrage zu den anerkannten Ausnahmefällen der Saldotheorie des BGH.
Der - hinter diesen Ausnahmen stehende - Grundgedanke ist doch, dass eine unbillige Belastung durch die Gegenseitigkeit vermieden werden soll.
Dies kann nur erreicht werden, soweit das Festhalten an einer Entscheidung auf einem " ordentlichen Willensbildungsprozess " beruht.
Nur dann kann sichergestellt werden, dass die Saldierung und anschließende Mitberücksichtigung des Entreicherungswertes gerechtfertigt ist.
Liege ich mit dieser Annahme richtig?
(2) In welchem Spannungsverhältnis steht §346 I BGB zu den bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen ?
Nochmals vielen Dank für das wertvolle Video und Ihre raschen Antworten.
1) Genau, das, was Flume „vermögensmäßige Entscheidung" genannt hat, umschreiben Sie (in der Sache ebenfalls zutreffend) mit "ordentlichem Willensbildungsprozess".
2) Ist der Gläubiger nach § 323 Abs 1 BGB zurückgetreten, dann ist § 346 Abs 1 BGB gegenüber den Ansprüchen nach §§ 812 ff. BGB vorrangig.
Herzliche Grüße!!
@@Jura-Vorlesungen Vielen lieben Dank Herr Fervers. Sie sind warhaftig der TH-cam Jura-Professor Nr. 1 !
@@Jura-Vorlesungen Ich hätte eine weitere (allgemein gerichtete) Verständnisfrage.
Diesmal zum Problem der Minderjährigikeit im bereicherungsrechtlichen Rahmen.
Angenommen, der Minderjährige M erlangt rechtsgrundlos ein Moped. Dieses zerstörte er fahrlässig, obwohl er davor von der Rechtsgrundslosigkeit und seiner Rückgabepflicht Kenntnis bekam. Von alledem wussten die Eltern nichts.
Ist es nicht problematisch, dass man bei der Leistung eines Minderjährigen den TB der Leistung mit der Begründung bejaht, es gäbe (1) einen "natürlichen Leistungswillen" (h.M.) aber gleichzeitig (2) bei der LK auf die Kenntnis der Eltern für §819 I BGB (ebenfalls h.M.) abstellt ?
Für (1) wird von der h.M. vorangebracht, dass die Zweckrichtung evident keine Willenserklärung sei.
Bei (2) heißt es jedoch, dass §166 BGB analoge Anwendung finden sollte. Die Leistungskondiktion hätte ja vertragsähnlichen Charakter.
Hier würde die LK zunächst wegen (1) in ihrem Tatbestand bejaht. Dies würde angesichts der Zerstörung zu einer Wertersatzpflicht führen, bei der wegen (2) M sich mangels §819 I BGB auf Entreicherung nach §818 III berufen könnte. Kurzgesagt: der andere Teil bleibt auf seinen "Schaden" sitzen.
Gibt es hier kein Wertungswiderspruch ? Denn für mich bedeutet Vertragsähnlichkeit das Vorhandensein eines Willenselementes (vgl. §§145, 147 BGB + vertagsähnlichen Charakter des §§122 I, 179 BGB). Wenn man dieses Willenselement jedoch für die Leistung verneint, wie kann man dies dann für die Leistungskondiktion bejahen ?
Ich hoffe, dass ich mich verständlich ausgedrückt habe. Erneut bedanke ich mich im Voraus für Ihre Antwort.
Hallo Herr Fervers, zunächst vielen Dank für alles. Wird es auch eine Vorlesungsreihe Schuldrecht AT von ihnen auf TH-cam geben und wenn ja, wann? Liebe Grüße
Herzlichen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse! Im kommenden Semester werde ich die Vorlesung Schuldrecht AT leider nicht übernehmen; aber wenn ich sie mal halte, dann werde ich sie bestimmt hier hochladen :) In der Zwischenzeit finden Sie immerhin einige schuldrechtliche Inhalte auf meinem Hauptkanal. Herzliche Grüße!!
Zum „Vorrang der Leistungskondiktion“: Wie würde man den ersten Fall lösen, wenn man nicht vom Vorrang der Leistungskondiktion ausgeht?
Ich würde für die Klausur eine doppelte Begründung empfehlen: Einmal berufen Sie sich auf den Vorrang der Leistungskondiktion und darüber hinaus sagen Sie, dass § 932 BGB hier den Rechtsgrund für den gutgläubigen Erwerb bildet.
In der Sache ist aus meiner Sicht so: Natürlich ist klar, dass der gutgläubige Erwerb kondiktionsfest sein muss; das ergibt sich zweifellos aus der Vorschrift des § 932 BGB. Unvorteilhaft ist es aber (wie gesagt: in der Sache, nicht in der Klausur), wenn man das auf den „Vorrang der Leistungskondiktion" stützt. Denn damit hat man einen Grundsatz erfunden, der hier zufälligerweise mal zum richtigen Ergebnis führt, den man aber dann in der Folge an der Backe hat und der in vielen Fällen auch zu evident falschen Ergebnissen führt. Überspitzt gesagt ist es wie mit Kindern und dem Klapperstorch: Mag sein, dass in Gebieten mit überdurchschnittlich vielen Kindern manchmal auf überdurchschnittlich viele Klapperstorche vorhanden sind. Trotzdem sollte man daraus nicht den Schluss ziehen, dass der Klapperstorch die Kinder bringt. Und ebenso wenig sollte man aus der Tatsache, dass (natürlich) der gutgläubige Erwerb kondiktionsfest ist, schlussfolgern, dass es einen allgemeinen Vorrang der Leistungskondiktion gibt.
Aber wie gesagt nochmal: In der Klausur sollten Sie sich in dieser Konstellation auf den Vorrang der Leistungskondiktion berufen.
Herzliche Grüße!!
@@Jura-Vorlesungen
Herzlichen Dank!