Wenn eine unzulässige, über die Grenze des § 551 I BGB hinausgehende Sicherheit vereinbart worden ist, was sind dann die Rechtsfolgen? Ist die gesamte Sicherungsabrede (oder gar der Mietvertrag) nichtig oder wird sie nur auf das zulässige Maß reduziert und der Mieter schuldet dann nur den zulässigen Höchstbetrag aus § 551 I BGB?
Der Mietvertrag bleibt in jedem Fall wirksam (andernfalls würde sich ja der Verstoß des Vermieters zulasten des Mieters auswirken). Die Rechtsprechung geht darüber hinaus davon aus, dass bei einem Verstoß gegen § 551 Abs. 1 BGB nicht die gesamte Sicherheit futsch ist; vielmehr wird die Sicherheit auf das zulässige Maß reduziert (BGH 30.6.2004 - VIII ZR 243/03 juris Rn. 24 ff.). Keineswegs unproblematisch ist allerdings, ob diese Rechtsprechung europarechtlich noch Bestand haben kann. Denn nach Ansicht des EuGH ist eine geltungserhaltende Reduktion bei AGB strikt verboten und der EuGH würde mutmaßlich auch diese Vorgehensweise des BGH als geltungserhaltende Reduktion ansehen. Herzliche Grüße!!
Wird die Unzulässigkeit von Umgehungsgeschäften bzgl. § 551 I BGB dann (ergänzend) auf § 242 BGB oder § 551 IV BGB analog gestützt oder reicht als Begründung schon das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts ohne konkrete gesetzliche Anknüpfung? Es fehlt ja an einer ausdrücklichen Regelung wie z.B. in § 476 IV BGB.
Da sind Sie meines Erachtens weitgehend frei. Die Rechtsfigur des Umgehungsgeschäfts ist zumindest im Grundsatz (auch ohne gesetzliche Anknüpfung) anerkannt und das ist auch gut so (Regelungen wie § 476 Abs. 4 BGB haben deshalb letztlich rein deklaratorischen Charakter). Es ist nämlich eine absolute Selbstverständlichkeit, dass Schutzvorschriften zugunsten einer Partei natürlich auch dann eingreifen müssen, wenn ihr Schutzzweck in gleichem Maße berührt ist wie in ihrem Anwendungsbereich und sie nur mit einem technischen Trick ausgehebelt wurden. In diesem Fall ist die „schwächere" Partei nämlich ganz genauso schutzwürdig und der Umgehende nicht das kleinste Bisschen. Ob Sie das methodisch lieber unter § 242 BGB fassen wollen oder ob Sie es als einen Fall der analogen Anwendung von § 551 Abs. 1, Abs. 4 BGB ansehen, überlasse ich Ihnen. Herzliche Grüße!!
Frohes neues Jahr Herr Fervers! Eine Frage. Bedarf es für § 249 Abs. 2 immer einer Substanzverletzung? Als Beispiel nehme ich den Abschleppfall. Wenn jemand unberechtigt auf einem Grundstück parkt, hat der Eigentümer dann keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 da der Parkplatz vorenthalten wurde? LG und vielen Dank
Vielen Dank, das wünsche ich Ihnen auch! Tatsächlich kann von einer Beschädigung der Sache iSv § 249 Abs. 2 BGB nur bei einem Eingriff in die Sachsubstanz gesprochen werden. Der BGH löst die Abschleppfälle auch nicht über § 249 Abs. 2 S. 1, sondern hält ausdrücklich § 249 Abs. 1 BGB für einschlägig (s. BGH 4.7.2014 - V ZR 229/13 Rn. 22 f.), sofern er nicht ohnehin die GoA anwendet. Der BGH geht dabei pragmatisch vor und äußert, dass bei einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 iVm § 858 BGB alle Schäden zu ersetzen sind, die „in adäquatem Zusammenhang mit der von dem Kl. verübten verbotenen Eigenmacht stehen und von dem Schutzbereich der verletzten Norm erfasst werden" (BGH, aao. Rn 15). Ganz streng genommen könnte man natürlich in der Tat auch hier sagen, dass der Schaden erstmal darin besteht, dass ein Auto auf dem Parkplatz steht. Zumindest im Ergebnis hat der BGH aber absolut Recht. Abgesehen davon, dass als Anspruchsgrundlage ohnehin die GoA oder (noch besser) die Nichtleistungskondiktion bemüht werden könnte, ist es (anders als in unserem Fall) schlicht abwegig, dass der „Zugeparkte" erstmal nach § 250 S. 1 BGB eine Frist mit Ablehnungsandrohung setzen müsste. Jedenfalls analog § 281 Abs. 2 BGB wäre eine solche Fristsetzung entbehrlich (dazu, dass die Regelung in § 250 BGB ohnehin missglück ist, Fervers, WuM 2017, 429, 436 f.). Herzliche Grüße!!
Wenn eine unzulässige, über die Grenze des § 551 I BGB hinausgehende Sicherheit vereinbart worden ist, was sind dann die Rechtsfolgen? Ist die gesamte Sicherungsabrede (oder gar der Mietvertrag) nichtig oder wird sie nur auf das zulässige Maß reduziert und der Mieter schuldet dann nur den zulässigen Höchstbetrag aus § 551 I BGB?
Der Mietvertrag bleibt in jedem Fall wirksam (andernfalls würde sich ja der Verstoß des Vermieters zulasten des Mieters auswirken). Die Rechtsprechung geht darüber hinaus davon aus, dass bei einem Verstoß gegen § 551 Abs. 1 BGB nicht die gesamte Sicherheit futsch ist; vielmehr wird die Sicherheit auf das zulässige Maß reduziert (BGH 30.6.2004 - VIII ZR 243/03 juris Rn. 24 ff.). Keineswegs unproblematisch ist allerdings, ob diese Rechtsprechung europarechtlich noch Bestand haben kann. Denn nach Ansicht des EuGH ist eine geltungserhaltende Reduktion bei AGB strikt verboten und der EuGH würde mutmaßlich auch diese Vorgehensweise des BGH als geltungserhaltende Reduktion ansehen. Herzliche Grüße!!
@ Herzlichen Dank!
Wird die Unzulässigkeit von Umgehungsgeschäften bzgl. § 551 I BGB dann (ergänzend) auf § 242 BGB oder § 551 IV BGB analog gestützt oder reicht als Begründung schon das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts ohne konkrete gesetzliche Anknüpfung? Es fehlt ja an einer ausdrücklichen Regelung wie z.B. in § 476 IV BGB.
Da sind Sie meines Erachtens weitgehend frei. Die Rechtsfigur des Umgehungsgeschäfts ist zumindest im Grundsatz (auch ohne gesetzliche Anknüpfung) anerkannt und das ist auch gut so (Regelungen wie § 476 Abs. 4 BGB haben deshalb letztlich rein deklaratorischen Charakter). Es ist nämlich eine absolute Selbstverständlichkeit, dass Schutzvorschriften zugunsten einer Partei natürlich auch dann eingreifen müssen, wenn ihr Schutzzweck in gleichem Maße berührt ist wie in ihrem Anwendungsbereich und sie nur mit einem technischen Trick ausgehebelt wurden. In diesem Fall ist die „schwächere" Partei nämlich ganz genauso schutzwürdig und der Umgehende nicht das kleinste Bisschen. Ob Sie das methodisch lieber unter § 242 BGB fassen wollen oder ob Sie es als einen Fall der analogen Anwendung von § 551 Abs. 1, Abs. 4 BGB ansehen, überlasse ich Ihnen. Herzliche Grüße!!
@ Vielen Dank!
Frohes neues Jahr Herr Fervers! Eine Frage. Bedarf es für § 249 Abs. 2 immer einer Substanzverletzung? Als Beispiel nehme ich den Abschleppfall. Wenn jemand unberechtigt auf einem Grundstück parkt, hat der Eigentümer dann keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 da der Parkplatz vorenthalten wurde? LG und vielen Dank
Vielen Dank, das wünsche ich Ihnen auch! Tatsächlich kann von einer Beschädigung der Sache iSv § 249 Abs. 2 BGB nur bei einem Eingriff in die Sachsubstanz gesprochen werden. Der BGH löst die Abschleppfälle auch nicht über § 249 Abs. 2 S. 1, sondern hält ausdrücklich § 249 Abs. 1 BGB für einschlägig (s. BGH 4.7.2014 - V ZR 229/13 Rn. 22 f.), sofern er nicht ohnehin die GoA anwendet. Der BGH geht dabei pragmatisch vor und äußert, dass bei einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 iVm § 858 BGB alle Schäden zu ersetzen sind, die „in adäquatem Zusammenhang mit der von dem Kl. verübten verbotenen Eigenmacht stehen und von dem Schutzbereich der verletzten Norm erfasst werden" (BGH, aao. Rn 15). Ganz streng genommen könnte man natürlich in der Tat auch hier sagen, dass der Schaden erstmal darin besteht, dass ein Auto auf dem Parkplatz steht. Zumindest im Ergebnis hat der BGH aber absolut Recht. Abgesehen davon, dass als Anspruchsgrundlage ohnehin die GoA oder (noch besser) die Nichtleistungskondiktion bemüht werden könnte, ist es (anders als in unserem Fall) schlicht abwegig, dass der „Zugeparkte" erstmal nach § 250 S. 1 BGB eine Frist mit Ablehnungsandrohung setzen müsste. Jedenfalls analog § 281 Abs. 2 BGB wäre eine solche Fristsetzung entbehrlich (dazu, dass die Regelung in § 250 BGB ohnehin missglück ist, Fervers, WuM 2017, 429, 436 f.). Herzliche Grüße!!
@Jura-Vorlesungen Toll vielen Dank 😊