Schadensersatz wegen Verzugs mit einer Beförderungsleistung - BGH, Urteil vom 20.04.2023
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- เผยแพร่เมื่อ 8 ก.พ. 2025
- In dieser Folge bespricht Prof. Dr. Thomas Riehm ein Urteil des I. Zivilsenats des BGH vom 20.04.2023. Die Examensrelevanz der Entscheidung ergibt sich vor allem aus den Ausführungen des Gerichts zur rechtlichen Einordnung von Mehraufwendungen eines Gläubigers für ein Deckungsgeschäft vor Fälligkeit der Leistung. Insbesondere wird die Abgrenzung zwischen einfachem Schadensersatz, Verzögerungsschadensersatz und Schadensersatz statt der Leistung thematisiert. Neben dieser Materie, die Gegenstand dieses Videos ist, loht sich für examensnahe Studierende zur Wiederholung zudem die Lektüre der Ausführungen des Senats zur gewillkürten Prozessstandschaft.
Aktenzeichen: I ZR 140/22
NJW 2023, 3285
Für mich war die größte Überraschung in diesem Fall, dass es nicht um die Deutsche Bahn ging.
Sehr geehrter Herr Prof. Riehm,
vielen Dank für Ihre Videos. Bitte erlauben Sie eine Rückfrage zur Abgrenzung zwischen SEA neben und statt der Leistung.
Wie definieren Sie den „letztmöglichen Zeitpunkt“ abstrakt und was wäre nach Ihrer Ansicht hier der letztmögliche Zeitpunkt, auf den es für die Frage ankommt, ob der Schaden hätte vermieden werden können? Ist für Sie stets der Zeitpunkt der Fälligkeit der letztmögliche Zeitpunkt, in dem hätte geliefert werden können? Wenn also bei Fälligkeitseintritt am 13.7. noch geliefert worden wäre, wäre der Schaden nicht entfallen, weil er bereits am 10.7. mit der Beauftragung des Dritten entstanden ist, richtig?
Das heißt: Wenn der H den Dritten erst nach dem 13.7 beauftragt hätte, wäre es ein SEA statt der Leistung gewesen, da die Lieferung im letztmöglichen Zeitpunkt dann den Schaden hätte entfallen lassen?
(Ich hatte bislang gedacht, dass der letztmögliche Zeitpunkt mit Blick auf § 281 IV BGB der Zeitpunkt ist, in dem der Schadensersatz verlangt wird, da die Leistungspflicht dadurch erlischt und ab diesem Zeitpunkt eine Leistung nicht mehr möglich ist. Lieder tue ich mich häufig schwer mit der zeitlichen Abgrenzung.)
Stattdessen frage ich immer, ob der Gläubiger eine doppelte Leistung bekäme, wenn er sowohl Schadensersatz als auch Leistung bekommt. Wenn er in diesem Sinne keine doppelte Leistung empfängt, handelt es sich um Schadensersatz neben der Leistung. Im Ergebnis hat der H hier nun sowohl von L als auch von dem Dritten eine Lieferleistung erhalten. Da es sich jedoch um die Lieferung von unterschiedlichen Gegenständen handelt, liegt im Ergebnis keine doppelte Leistung vor, sondern quasi zwei verschiedene Leistungen. Daher kein SEA statt sondern neben der Leistung (?) Das finde ich etwas merkwürdig.
Gleichzeitig macht diese Argumentation die Abgrenzung zum klassischen Deckungskauf für mich etwas schwer. Wenn H die Teile hier von L gekauft hätte und L nicht nur Logistikunternehmen gewesen wäre, und H bei einem Dritten einen Deckungskauf getätigt hätte, dann wäre es hier nach dem BGH Bio-Dieselfall SEA statt der Leistung gewesen.
Ich verstehe deshalb nicht ganz den Unterschied zwischen dem hier besprochenen Fall und dem klassichen Fall des Deckungskaufes, außer dass es hier um einen Werkvertrag geht und dass die „Deckungslieferung“ vor Fälligkeit beauftragt wurde. Bei einem Deckungskauf würde ja auch nicht dieselbe Sache geliefert, sondern eine andere, wenn auch gleiche Sache.
Die von Ihnen vorgestellte Abgrenzungsformel des BGH, auf den Schaden abzustellen, der durch die Ersatzlieferung vermieden werden soll, würde bei einem DeckungsKAUF durch den H auch zu SEA neben der Leistung führen, obwohl der BGH den Deckungskauf als SEA statt der Leistung einordnet. Ich verstehe daher noch nicht ganz, wie die aktuelle Entscheidung mit der Bio-Diesel Entscheidung aus 2013 zusammenpasst.
Im Übrigen muss ich (im Rahmen der Kausalität) bei dem Fall auch an den Rechtsgedanken des § 323 IV BGB denken, wonach ein Rücktritt auch vor Fälligkeit möglich ist, wenn offensichtlich ist, dass die Vss. des Rücktritts eintreten werden. Zwar geht es hier um SEA und nicht um Rücktritt, aber im Sinne dieses Rechtsgedankens war hier bereits vor Fälligkeit klar, dass die Lieferung nicht rechtzeitig sein und ein Schaden eintreten wird. Theoretisch hätte H hier also z.B. auch vor Fälligkeit zurücktreten können, wenn man mal davon absieht, dass es sich um einen Rahmenvertrag handelt.
Bitte entschuldigen Sie den langen Kommentar.
Viele Grüße nach Passau!
Danke für die ausführliche Frage. Zunächst zum "letztmöglichen Zeitpunkt" im Sinne der Zauberformel. DIeser ist mE die Achillesferse dieser Lehre (der ich selbst nicht folge), weil weder ein Abstellen auf den Fristablauf noch auf das Erlöschen des Erfüllungsanspruchs konsistent durchgehalten werden kann (näher BeckOGK BGB/Riehm, 1.8.2023, § 280 Rn. 217 ff.).
Ihre Frage nach der "doppelten Leistung" entspricht in der Sache der schadensphänomenologischen Abgrenzung, weil Sie darauf abstellen, ob der Schadensersatz gegenständlich an die Stelle der Erfüllung tritt, oder - in der Sache gleichbedeutend - ob er seinen Schaden auf der Grundlage der Annahme berechnet, dass er die Erfüllung nicht mehr erhalten wird.
Ihr Beispiel des Deckungskaufs (Biodiesel) ist mE mit der hiesigen Entscheidung gut vereinbar: Beim Deckungskauf wird zwar eine andere gleichartige Sache geliefert - es handelt sich aber eben auch um einen Gattungskauf, der von vornherein nicht auf eine konkrete Sache gerichtet war, sodass auch eine andere Sache aus der gleichen Gattung erfüllungstauglich ist. Beim Stückkauf ist es schon deutlich schwieriger zu begründen, dass es überhaupt ein Deckungsgeschäft geben kann; ich würde prognostizieren, dass die Rspr. das mit der gleichen Begründung wie bei der Ersatzlieferung beim Stückkauf lösen würde. In beiden Fällen muss aber genauer geprüft werden, ob das "Deckungsgeschäft" tatsächlich das Erfüllungsinteresse entfallen lässt - beim Biodiesel-Fall hätte es auch anders sein können, wenn der Käufer nicht zuvor auf Erfüllung geklagt hätte (dazu näher BeckOGK BGB/Riehm, 1.8.2023, § 280 Rn. 243 ff.).
Den Rechtsgedanken des § 323 IV BGB kann man in diesen Fällen durchaus heranziehen - in der Sache beruht der genauso auf § 242 BGB wie die Fälle des § 286 II Nr. 4 BGB, auf die sich der BGH gestützt hatte. Dazu (und überhaupt zur besprochenen Entscheidung) finden Sie näheres bei Riehm, ZIP 2023, 2620.
Zu schwer für eine Zweitsemesterklausur, oder?