Hans Ulrich Reck: Was teilte der Kojote Beuys mit? Ein produktives Missverständnis

9. Teil der Aktion „‘Ich trete aus der Kunst aus!‘ Eine höchst verführerische Anleitung von Joseph Beuys zur Überbietung der Künste durch die Autorität der Kulturen“, ehem. Fabrik Kaiser & Dicke, Wuppertal, 2. Juni 2021.
Eine Veranstaltung der Denkerei mobil in Kooperation mit dem Kulturbüro der Stadt Wuppertal und der Galerie Grölle pass:project im Rahmen des Performancefestivals „Die Unendlichkeit des Augenblicks. Aufführungskünste nach Beuys“.
Für das Gesamtprogramm des Tages siehe:
bazonbrock.de/...
Beuys verleitete zu einem Missverständnis, das ihm immer wieder vorgehalten worden ist: die Vertauschung von Symbol und Allegorie, obwohl dieses Missverständnis seine staunenswerte öffentliche Wirksamkeit erst ermöglichte. Statt die künstlerischen Aktionen von Beuys als symbolische Verweise auf anthropologische oder kulturelle Bedeutungen aufzufassen, hielten viele Betrachter sie für Allegorien politisch und sozial wirksamer Begriffe.
Wer nicht Beuyssens Aktionen als Ausdruck von bewegender freier Energie zu genießen wusste, missverstand sie als monströse Allegorien/Verkörperungen von Weltanschauungen.
Nur durch die Unbestimmtheit der symbolischen Bedeutung entging er kunstreligiöser Festlegung. Fundamentalistisch-totalitär wäre es zum Beispiel, Beuyssens Auftritt mit dem Kojoten in „I like America...“ als Allegorie des menschlichen Existenzkampfs gegen die wilden Tiere anzusehen, anstatt die Aktion als symbolischen Hinweis zum Beispiel auf das Tierische im Menschen oder den Totemismus der amerikanischen Ureinwohner zu deuten.
Hans Ulrich Reck, geb. 1953, Prof. Dr. phil. habil., Philosoph, Kunstwissenschaftler, Publizist, Kurator. Von 1980 bis 1995 Dozent und Professor in Basel, Zürich und Wien. Von 1995 bis 2019 Professor für Kunstgeschichte im medialen Kontext, von April 2014 bis März 2020 Rektor der Kunsthochschule für Medien in Köln. Gründungsherausgeber der Reihe 'edition KHM' im Herbert von Halem Verlag Köln.
Publikationen u.a.: Pasolini. Der apokalyptische Anarchist, Leipzig: Spector Books, Reihe 'Analysis & Excess' 2020; Kritik der Kreativität, Köln: Herbert von Halem Verlag 2019
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