Annekathrin Kohout: Die Anglerweste als Künstleruniform

5. Teil der Aktion „‘Ich trete aus der Kunst aus!‘ Eine höchst verführerische Anleitung von Joseph Beuys zur Überbietung der Künste durch die Autorität der Kulturen“, ehem. Fabrik Kaiser & Dicke, Wuppertal, 2. Juni 2021.
Eine Veranstaltung der Denkerei mobil in Kooperation mit dem Kulturbüro der Stadt Wuppertal und der Galerie Grölle pass:project im Rahmen des Performancefestivals „Die Unendlichkeit des Augenblicks. Aufführungskünste nach Beuys“.
Für das Gesamtprogramm des Tages siehe:
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Leicht asymmetrisch und mit orangefarbenem Zierstreifen, so sieht die Anglerweste von Hermès aus. Und während Gucci oder Isabel Marant die Adaption schlicht halten, hat Sacai eine postmoderne Dekonstruktion der Weste vorgenommen, die ihr Inneres nach Außen stülpt: Wilde, mit Reißverschlüssen zusammengesetzte üppige Taschen sind mit bunten Farbklecksen besprenkelt und bringen zum Ausdruck, was die seit 2019 zunehmende Affirmation von „Utility Wear“ in der Mode bedeutet: Sie weist den Träger, öfter noch die Trägerin als kreativ, ja als Künstlerin aus.
Während Joseph Beuys die Anglerweste noch nicht wissentlich als Readymade am eigenen Körper trug, hat er dieses Modeaccessoire allerdings fraglos als Künstleruniform etabliert. Eine Uniform, in die sich mittlerweile vor allem jene kleiden, bei denen mindestens umstritten ist, ob sie sich Künstler oder Künstlerin nennen können (man denke nur an Gunther von Hagens).
Wie die Anglerweste beim Fischfang nicht erkennen lässt, ob es sich bei den Trägern um Profis oder Amateure handelt, vermag sie beim Styling auch jene als Kreative zu inszenieren, die sich über die Weste hinaus nicht aufs Künstlerdasein einlassen. Mittlerweile ist aus dem High-Fashion-Accessoire bereits ein Street-Style geworden. So wird, wie einst von Beuys ersonnen, doch noch jeder Mensch zum Künstler - zumindest optisch.
Annekathrin Kohout ist Kunst- und Kulturwissenschaftlerin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Siegen. Sie ist Mitherausgebern der Zeitschrift „Pop. Kultur und Kritik“ sowie der Buchreihe „Digitale Bildkulturen“ im Verlag Klaus Wagenbach.
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