Der verarmte Feinschmecker - von Heinrich Seidel
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- เผยแพร่เมื่อ 1 เม.ย. 2024
- Heinrich Seidel: Der verarmte Feinschmecker
Verlornes Glück
Wenn ich bei Brot und Kuhkäs sitze
Und trinke still mein dünnes Bier,
Weht oftmals um die Nasenspitze
Ein Säuseln der Erinnrung mir.
Ein Duft der köstlichsten Gerichte,
Verlornen Glück’s ein matter Schein ...
Ach, soll ich nur noch im Gedichte
Und in Erinnrung glücklich sein?
Trauriges Los
Die Trüffel reift in Frankreichs Gauen
Verborgen in der Erde Schoß,
Allein für mich, auf märk’schen Auen
Wächst die Kartoffelknolle bloß.
Es glänzt verlockend in der Sonne
Böhmens Fasan mit hellem Schein...
Für mich blinkt in des Krämers Tonne
Ein Hering mager nur und klein.
Traumestücke
O denkt, um welche Himmelswonn'
Des Traumes Tücke mich gebracht:
Es war ein Schinken aus Bayonne...
Ich schnitt ihn an, und bin erwacht!
Hinweggetäuscht, was noch soeben
Mir hold und lockend schwebte vor,
Und niemand kann mir wiedergeben,
Und niemand ahnt, was ich verlor.
Holde Ahnung
Hört’ ich im blühenden Apfelbaum
Jauchzend im Frühling die Drossel schlagen,
Zog es mir wie ein seliger Traum
Ahnungsvoll durch Gaumen und Magen.
Dacht’ ich im Stillen: Es sollen zum Schluss
Süße Erfüllung die Tage bringen:
Krammetsvögel mit Apfelmus
Will dir verheißen dies Blühen und Singen!
Erinnerung
In Andacht stand ich jüngst versunken
Vor jenem Haus, wo manches Mal
Ich viel gegessen und getrunken
Und gut, nach meines Herzens Wahl
Nach jener Zeit, nach jenen Tagen
Ward meine Sehnsucht wieder jung,
Und leise fiel auf meinen Magen
Die Träne der Erinnerung.
Grausames Schicksal
Für mich der etwas weiss vom Essen,
Kann nichts Betrübteres geschehn,
Als andre schlemmen sehn und fressen,
Die keine Spur davon verstehn.
Ja, düster ist des Schicksals Wille
Und kalt vermag es zuzusehn,
Wie ein Talent so in der Stille
Muss ungenutzt zu Grunde gehn.
Illustration: Johann Grün
Am 25. Juni 1842 wurde in Perlin (Nordwestmecklenburg) Heinrich Friedrich Wilhelm Karl Philipp Georg Eduard Seidel geboren.
Er studierte Maschinenbau und arbeitete zunächst hauptberuflich als Ingenieur. Seidel konstruierte u.a. Bahnanlagen und die damals europaweit einzigartige Dachkonstruktion des Anhalter Bahnhofs in Berlin Kreuzberg. Schließlich widmete er sich vollständig der Schriftstellerei und schrieb u.a. "Von Perlin nach Berlin" (Lebenserinnerungen). Der Roman "Leberecht Hühnchen" (1880-1893) ist sein bekanntestes Werk. Aber auch seine Gedichte waren populär.
In seinem "Ingenieurlied" (1871) prägte er den dank Daniel Düsentrieb bis heute verwendeten Spruch "Dem Ingenieur ist nichts zu schwer" (Düsentrieb reimt "schwör").
Heinrich Seidel starb am 7. November 1906 in Groß-Lichterfelde.
#Lyrik #Gedicht #Feinschmecker
Thank you so much:
„Ich schnitt ihn an | und bin erwacht“
That’s so beautiful, and so very true! 🍻
Das ist wieder ein kurioses Gedicht. Kartoffeln und Hering sind doch lecker... 😊 Danke für Deinen tollen Vortrag und das Bild! Herzliche Grüße!
Lieben Dank! 🙂 Kartoffeln mag ich auch sehr! Aber der gute Mann ist ja ein verarmter Feinschmecker... 😂
Mir gefällt der Witz in diesen Zeilen, ein herrliches Gedicht. Vielen Dank!
Herzlichen Dank, liebe Madeleine! :-)
Die "Zwischen-Überschriften" muten wie Einträge einer Speisekarte an... herrlich!
Die Preisauszeichnung erfolgt wohl noch vom Schicksal.
Danke für dieses Gedicht!
Stimmt! Das ist ja tatsächlich so! 😅 Vielen lieben Dank!
Der Lohn der götter ist das Gelingen
Zitat: Folksmund, gefunden in: Legende, von Ronald Maria Schernikowa
@@aka-pj7ye Wohl wahr! 🙂