Bazon Brock: Selbsterregung - eine rhetorische Oper zur Erzwingung der Gefühle

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  • เผยแพร่เมื่อ 25 เม.ย. 2021
  • Filmfassung, produziert 1990. Ab 1987 als Theaterstück aufgeführt in München, Tübingen, Freiburg, Bern, Frankfurt u.a.
    Zur Ohnmacht der Macht
    „Gegen die Diktatur des Witzfleisches im Theater und gegen die Überwältigung durch Erschöpfung.
    Als er noch Ich war, unternahm er drei Versuche, sich endlich zu entscheiden.
    Wie Hitler zum Schauspiellehrer Devrient, ging er zum Schauspiellehrer Hungerbühler, damit der ihm beibringe, über Großes endlich wieder groß zu reden. Er ist gescheitert.
    Wie Rilke den Psychologen C. G. Jung, suchte er den Professor Ringel in Wien auf, damit er ihm beibringe, den schönen Frauen nicht mehr nur auf Biedermeiertischchen Tintenflecke zu opfern, sondern sich mit ihnen gemein zu machen, hingegeben den Wonnen der Gewöhnlichkeit, sie platt zu drücken auf dem Rasen mit einem fiesen Lächeln. Was C. G. Jung dem Rilke antwortete, ist bekannt: „Mensch, Rilke, kopulieren können schließlich Millionen, dichten Sie um Himmelswillen weiter.“ Was Ringel ihm sagte, ist andeutungsweise durchgesickert. Es möge ein Gerücht bleiben, daß er die Pistole zog. Wie Axel Cäsar Springer und mit ihm die gesamte Führungsmannschaft der deutschen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg zum Unternehmensberater Wulff, der ein Astrologe war, nach Hamburg pilgerte, damit der ihnen sage, wann der Sternenlauf mit ihren unternehmerischen Entscheidungen konveniere und wie man Macht über Menschen gewinnen könne und noch deren Dankbarkeit gewiß sei, so zog er zum Unternehmensberater Mattenklott nach Düsseldorf. Mattenklott war ihm gegenüber nicht halb so erfolgreich wie Wulff gegenüber Springer und den Seinen.
    So sieht er sich denn gezwungen, einen erneuten Anlauf zu nehmen, um endlich Schluß zu machen.
    Er hat sich vor Ihnen heute hübsch artig in seinen Konfirmationsanzug gesteckt, um zu bekunden, daß er einer von Ihnen sein möchte. Confirmare: Gemeinsamkeit bekennen, obwohl die moderne Version der Konfirmation wohl eher in der Aufnahme in den Klatschmarsch zu bestehen scheint und als willentliche Einstimmung in die Aufforderung des Leadsingers: „ Und nun alle!“ Vielleicht aber sollte das protestantische Ehrenkleid nur darauf hinweisen, daß er schon getauft sei; wichtig in Zeiten, da unter den Intellektuellen, vor allen denen seines Alters, geradezu ein Wettbewerb im Geheimtaufen ausgebrochen ist; geheim wohl deshalb, damit die Betreffenden auch nur im Geheimen zu lieben, zu glauben und zu hoffen brauchen. Möglicherweise dienen die Geheimnisse aber nur der Steigerung ihrer Medienwirksamkeit: ein Ereignis als geschehen zu behaupten, ohne dafür den geringsten Beweis antreten zu müssen.
    Aber nehmen wir die Sache gut. Folgen wir den vielen Vorstellungen, wieder Gralsgesellschaften zu etablieren, Geheimgesellschaften als soziale Agenturen, in denen das zum Ereignis wird, was nicht geschieht. Ein schon gegenwärtig, aber erst recht für die Zukunft folgenreicher und wichtiger Typus des Handelns, alles daran zu setzen, daß nichts geschieht. Deshalb wollte er unbedingt sein Leben und alles, was mit ihm vorging, als Nichtereignis verstehen, als einen Versuch, sich selbst zu verhindern, als Selbstfesselungsversuch - wo alle Welt glaubt, es käme darauf an, die Spontaneität zu kitzeln und endlich das Tier rauszulassen, das da in uns heult.
    Nach seiner letzten Raserei in der Schweiz hatte er es sich endlich merken wollen. Er hatte es aufgeschrieben und memorierte es täglich nach dem Kaffeetrinken: Faszination der Macht im unersättlichen Sehen der Massen, das war die Faszination vor dem Guten, Wahren, Schönen.
    Faszination der Macht im unersättlichen Sehen der Massen: von der Schönheit blieb nur die Kosmetik; sie aber immerhin formt uns, nutzt unsere Plastizität, um uns dem Bild einer Idee zu unterwerfen, jener Vorstellung, die wir von uns haben wollen. Faszination, die wir von uns haben wollen.
    Faszination der Macht im unersättlichen Sehen der Massen: das war die Faszination vor dem Guten, von dem leider schon Aristoteles sagen mußte, daß es nur verschwistert mit der Politik wirksam werden kann. Von dem Guten blieb nur die Karriere, aber immerhin noch eine Vorstellung davon, was es einst hieß, sich einem großen Ziel zu unterwerfen. Sie läßt uns ahnen, was vormals Sieg bedeutete.
    Faszination der Macht im unersättlichen Sehen der Massen vor dem, was wahr, unsterblich ist und Dauer hat; davon blieb der Paarlauf, die Faszination der Harmonie und Symmetrie, die uns aber doch noch zu zeigen vermögen, was einst Heil hieß. Faszination der Macht im unersättlichen Sehen der Massen: Uns, Sieg, Heil - doch wohl eine bedeutsame historische Variante.
    Aber der Paarlauf zwischen uns und unserem Willen wird nicht gelingen, wenn wir wie bisher nur glauben, uns mit den Opfern identifizieren zu müssen, anstatt mit den Tätern. (...)“
    Vollständige Textfassung von Bazon Brock unter: bazonbrock.de/...

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