Martin Martin Schlesinger: Als wir studierten

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  • เผยแพร่เมื่อ 25 ธ.ค. 2024
  • Sprecher: www.sprecherke...
    Erschienen in: "Proust ist mein Leben, doch es langweilt mich sehr: Ursache und Wirkung" von Christian Rottler:
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    Als wir studierten
    Martin Martin Schlesinger
    1999 war Weimar vermutlich noch einzigartiger als in den darauffolgenden Jahren. Während die internationalen Besucher der damaligen Kulturhauptstadt in schillernden Scharen im sommerlichen Ilmpark durch eine getreue Kopie von Goethes Gartenhaus flanierten, oder einfach nur gingen, tanzten fröhliche Bauhaus-Nachkommen in den raumplastischen Kostümen des Triadischen Balletts durch die bunt belebten Straßen.
    “War gar nicht, ist gar nicht.”
    Mein fragmentarisches wie nebulös positives Bild dieser freudigen Tage kurz vor der Jahrtausendwende ist jedoch bloße Vorstellung, denn ich kam erst im Herbst 2002 zum Studieren an die Bauhaus-Universität und weiß im Grunde nicht viel über diese Jahre nach dem Mauerfall. In den Erinnerungen an diese Stadt zu Beginn meiner universitären Laufbahn genieße ich jedoch die unbegründete Gewissheit, dass eine heitere Aufbruchsstimmung und einmalige Atmosphäre des Außergewöhnlichen das berauschte Leben aller Weimarer Hochschüler bestimmte - und nicht nur meine eigene akademische Initiation. Meine ersten zwei Jahre in Thüringen waren, da bin ich mir sicher, die letzten Momente des Endes einer einzigartigen Epoche dieses kleinen Kulturzentrums; eine fabelhafte Zeit, deren langsames Abklingen und deren unwiederbringlichen Verlust ich glücklicherweise noch erfahren durfte. Es war eine Art lokale Belle Époque ohne größeren gesellschaftlichen Aufschwung, ein begrenztes Fin de Siècle ohne eine relevantere soziale Dekadenz.
    In meinen Erzählungen berichte ich dabei gerne, und in Ansätzen mit nostalgischer Begeisterung, von den allgegenwärtigen Feierlichkeiten in zahlreichen Wohngemeinschaften. Damals gab es beständig, nahezu täglich und auch unter der Woche immer irgendwo eine, vorwiegend mehrere Möglichkeiten sich durch fremde Zimmer zu plaudern und zu trinken. Zumeist wanderte man die ganze Nacht von Haus zu Hause; teils waren ganze Gebäude an Studenten vermietet, die ihre Räume für feierlaunige Freunde und Fremde zur Verfügung stellten. Erst später wurden derartige private Veranstaltungen von Vermietern und der Polizei verboten, Wohnungen und Straßen umfassend restauriert, Kohleöfen gegen Heizungen ausgewechselt, Fassaden frisch gestrichen und eine einkommensstärkere Nachbarschaft dem juvenilen Frohsinn vorgezogen. Vor dem sozioökonomischen Strukturwandel, der Stadtviertel wie studentische Lebensgefühle unter dem Label ‚Gentrifizierung’ entscheidend verändern sollte, trugen jedoch auch andere Entwicklungen zum Ende der ‚besten Zeit’ wie ich sie kannte bei. Im letzten Jahrgang der noch mit dem Diplomabschluss enden durfte, konnte ich mein universitäres Dasein in einem weniger streng modularisierten Ablauf relativ frei gestalten - aber ich möchte nicht die offensichtlichen Vorzüge meiner speziellen Bildungsvergangenheit romantisieren, in der man auch noch die Muße besaß, ganze Semester gegen Studiengebühren und das bargeldlose Zahlen mit Chipkarten zu streiken. Wenn damals jemand fragte, wofür man steht, dann war klar: gegen Bologna [...]

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