Sehr schöne Besprechung des Gedichts! Danke! Ich habe noch folgende Überlegung zur letzten Strophe: Dort wird ja gesagt, dass in ihm die Sehnsucht so stark anwächst „wie bei der Liebsten Gruß“. Die beschriebene Erscheinung im Wasser erinnert ihn also an seine eigene (vielleicht „verflossene“?) Liebe. Und im unmittelbar folgenden Vers heißt es dann: „Sie sprach …, sie sang …“, sie zog usw. Und dieses Pronomen „sie“ kann durch den vorangegangenen Vergleich („wie bei der Liebsten Gruß“) eben auf diese, seine Liebe bzw. „Liebste“ bezogen werden, an die er durch die Erscheinung im Wasser erinnert wird. In gewisser Weise begegnet er damit auch seinem eigenen Herzen (das er seiner Liebsten geschenkt hat), von dem es in der ersten Strophe noch heißt, dass es ganz kühl sei (V. 4). Man kann die Ballade, finde ich, also auch als ein Liebesgedicht lesen. Der Text ist zwar voll von erotischen Anspielungen (das feuchte Weib, das Anschwellen, die Angel als phallisches Symbol, die Nacktheit des Fußes, das Motiv des Lockens …), aber zugleich gibt es diese Dimension der tieferen Liebe, die sich darin zeigt, dass es um den Fischer erst dann „geschehen“ ist, als er an seine Liebste erinnert wird und sich im Herzen angesprochen fühlt (genau wie die Wendung „Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll“ bildet die Vokabel „Herz“ übrigens in der ersten und letzten Strophe einen Rahmen des Gedichts). Und Wasser ist ja mit seiner Spiegel-Funktion auch ein Symbol für die Seele. Insofern kann man vielleicht sagen: Indem der Fischer durch die Erscheinung in der Natur an seine Liebe erinnert wird, begegnet er sich in der Erfahrung seiner eigenen Liebesfähigkeit zugleich selbst. Und das ist, würde ich sagen, dieses ominöse Geschehen „auf dem Grund“ (Str. 2), womit doch auch der eigene Herzensgrund gemeint sein kann, auf dem man sich selbst begegnet („Lockt dich dein eigen Angesicht nicht her …?“). Und vielleicht ist es schließlich diese Erfahrung der unverstellten, natürlichen Authentizität im Lieben, die den Menschen „erst gesund“ (Str. 2) macht? Die Kehrseite dieser Unverstelltheit (und Wasser ist ja auch Symbol der Reinheit) ist die Verletzlichkeit. So würde ich den Schluss des Textes interpretieren. Ein bisschen erinnert es mich, wenn man es so liest, an ein anderes Gedicht von Goethe, „Selige Sehnsucht“, wo es auch den berühmten Spruch gibt: „Stirb und werde!“ Liebe Grüße und danke für deine schönen Videos! 😊
Liebe Selma, eine unglaublich schöne und ergreifende Rezitation ist dir hier gelungen. Danke für diese sinnliche Darbietung und die inspirierende Interpretation des Gedichtes. Ein schönes Wochenende wünsche ich. PS: Dein Buch Helena hat mich sehr beschäftigt und langfristig zum Nachdenken angeregt. Du schreibst anders als deine Zeitgenossen - ich muss noch herausfinden, inwiefern.
Liebe Selma, vielen Dank für deinen Beitrag. Du batest um Interpretationen. Hier ist die meine: Man kann die Ballade auf unterschiedliche Ebenen deuten. Auf der allgemeinen Ebene symbolisiert die Handlung für mich das Spiel der Dualität. Yin und Yang, männlicher und weiblicher Pol. Der Fischer lebt im Luftelement, was z. B. im Tarot mit den Schwertern, die für Rationalität stehen, symbolisiert wird. Die Meerjungfrau lebt im Wasserelement, was im Tarot den Kelchen entspricht, die für Gefühle stehen. Die Prinzipien von Ratio und Emotio konturieren miteinander. Aus der Perspektive des Fischers wird vor dem sich Hingeben in die Gemütsbewegung, in die Emotion gewarnt, die in den eigenen Untergang, nämlich, dass das Aufgeben der Ratio führen. Auf der menschlichen Ebene gedeutet, ist es ein Rat, die Motive des zukünftigen Partners zu prüfen, ob sie mit den eigenen Gefühlen und Werten übereinstimmen; sonst besteht Gefahr, dass Herzen zerbrechen. Was dem Mythos, der Femme fatale zugeordnet werden kann.
Sehr schöne Besprechung des Gedichts! Danke!
Ich habe noch folgende Überlegung zur letzten Strophe: Dort wird ja gesagt, dass in ihm die Sehnsucht so stark anwächst „wie bei der Liebsten Gruß“. Die beschriebene Erscheinung im Wasser erinnert ihn also an seine eigene (vielleicht „verflossene“?) Liebe. Und im unmittelbar folgenden Vers heißt es dann: „Sie sprach …, sie sang …“, sie zog usw. Und dieses Pronomen „sie“ kann durch den vorangegangenen Vergleich („wie bei der Liebsten Gruß“) eben auf diese, seine Liebe bzw. „Liebste“ bezogen werden, an die er durch die Erscheinung im Wasser erinnert wird. In gewisser Weise begegnet er damit auch seinem eigenen Herzen (das er seiner Liebsten geschenkt hat), von dem es in der ersten Strophe noch heißt, dass es ganz kühl sei (V. 4).
Man kann die Ballade, finde ich, also auch als ein Liebesgedicht lesen. Der Text ist zwar voll von erotischen Anspielungen (das feuchte Weib, das Anschwellen, die Angel als phallisches Symbol, die Nacktheit des Fußes, das Motiv des Lockens …), aber zugleich gibt es diese Dimension der tieferen Liebe, die sich darin zeigt, dass es um den Fischer erst dann „geschehen“ ist, als er an seine Liebste erinnert wird und sich im Herzen angesprochen fühlt (genau wie die Wendung „Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll“ bildet die Vokabel „Herz“ übrigens in der ersten und letzten Strophe einen Rahmen des Gedichts). Und Wasser ist ja mit seiner Spiegel-Funktion auch ein Symbol für die Seele.
Insofern kann man vielleicht sagen: Indem der Fischer durch die Erscheinung in der Natur an seine Liebe erinnert wird, begegnet er sich in der Erfahrung seiner eigenen Liebesfähigkeit zugleich selbst. Und das ist, würde ich sagen, dieses ominöse Geschehen „auf dem Grund“ (Str. 2), womit doch auch der eigene Herzensgrund gemeint sein kann, auf dem man sich selbst begegnet („Lockt dich dein eigen Angesicht nicht her …?“). Und vielleicht ist es schließlich diese Erfahrung der unverstellten, natürlichen Authentizität im Lieben, die den Menschen „erst gesund“ (Str. 2) macht? Die Kehrseite dieser Unverstelltheit (und Wasser ist ja auch Symbol der Reinheit) ist die Verletzlichkeit. So würde ich den Schluss des Textes interpretieren.
Ein bisschen erinnert es mich, wenn man es so liest, an ein anderes Gedicht von Goethe, „Selige Sehnsucht“, wo es auch den berühmten Spruch gibt: „Stirb und werde!“
Liebe Grüße und danke für deine schönen Videos! 😊
Liebe Selma, eine unglaublich schöne und ergreifende Rezitation ist dir hier gelungen. Danke für diese sinnliche Darbietung und die inspirierende Interpretation des Gedichtes. Ein schönes Wochenende wünsche ich.
PS: Dein Buch Helena hat mich sehr beschäftigt und langfristig zum Nachdenken angeregt. Du schreibst anders als deine Zeitgenossen - ich muss noch herausfinden, inwiefern.
Vielen Dank! Und ja, ich bin vielleicht wirklich ein bisschen aus der Zeit gefallen, nicht nur sprachlich 😅
Liebe Selma, vielen Dank für deinen Beitrag. Du batest um Interpretationen. Hier ist die meine: Man kann die Ballade auf unterschiedliche Ebenen deuten. Auf der allgemeinen Ebene symbolisiert die Handlung für mich das Spiel der Dualität. Yin und Yang, männlicher und weiblicher Pol. Der Fischer lebt im Luftelement, was z. B. im Tarot mit den Schwertern, die für Rationalität stehen, symbolisiert wird. Die Meerjungfrau lebt im Wasserelement, was im Tarot den Kelchen entspricht, die für Gefühle stehen. Die Prinzipien von Ratio und Emotio konturieren miteinander. Aus der Perspektive des Fischers wird vor dem sich Hingeben in die Gemütsbewegung, in die Emotion gewarnt, die in den eigenen Untergang, nämlich, dass das Aufgeben der Ratio führen.
Auf der menschlichen Ebene gedeutet, ist es ein Rat, die Motive des zukünftigen Partners zu prüfen, ob sie mit den eigenen Gefühlen und Werten übereinstimmen; sonst besteht Gefahr, dass Herzen zerbrechen. Was dem Mythos, der
Femme fatale zugeordnet werden kann.