Kunst=Fleisch, erotische Zeichnungen von Alfred Hrdlicka im Erotic-Art-Museum
Deutschlandradio Berlin
Fazit, 28.11.1995
Ob daheim oder in Hamburg, ob mit seiner Kunst oder seinen Aussagen - Alfred Hrdlicka sorgt für Wirbel. Vor rund zehn Jahren wurde in Hamburg der erste Teil eines Denkmals enthüllt: Hamburger Feuersturm, ein Mahnmal für die Bombardierung 1943.
Geplant waren vier Teile, als Gegenstück zum Soldatendenkmal von 1936, das immer noch mit der Inschrift provoziert: Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen. Fertig geworden sind nur zwei Teile: Hamburger Feuersturm und Der Untergang der Cap Arcona. Die Themen Heldentum und Frauen blieben auf der Strecke - es gab Zoff mit dem Kultursenator, es ging ums Geld.
Jetzt ist Hrdlicka wieder in Hamburg, nicht fürs Denkmal, sondern mit einer Ausstellung im Erotic Art Museum. Das Museum steht in einem alten Speicher neben den Hafenstraßenhäusern, betrieben von einem Wirt und einem Immobilienhändler. Gezeigt wird erotische Kunst aus sechs Jahrhunderten - oder das, was sie dafür halten.
Zum dreijährigen Jubiläum hat sich das Museum Hrdlicka geholt. Der nutzte seinen Besuch auch, um nochmal dorthin zu gehen, wo vor zehn Jahren alles begann.
Hrdlicka: Die Theater werden sich eines Tages wundern, sie werden ohne diese Elemente nicht auskommen. Dann können sie heute schon ein Theaterstück aufführen, ohne dass irgendeine Nackte über die Bühne rennt oder dass ich weiss nicht, in König Lear eine Dame in den Kübel pipi macht. Also diese unheimliche Provokation des Körperlichen, das war mir ganz klar. Und ich muss sagen, hier war Hamburg richtig avantgardistisch. Und inzwischen kommt ja die Theaterwelt unter den ganzen Nichten aus. Und die Theaterwelt sollte sich offensure Elemente der Pornografie bekennen. Ich habe mich immer dazu bekannt.
Hrdlicka: Inventiv habe ich ja immer, ich habe immer einen polimischen Mensch, habe gesagt, das wäre die katholische Kirche ohne Inkarnation, also ohne der Fleischwerdung. Das gebe ich ja gar nicht. Es gibt keinen Sinn, auch die anderen Religionen beschäftigen sich abbausenlos mit der Fleischwerdung. Eigentlich ist die Unterdrückung des Fleisches oder die Handhabung von der Geburt bis zur Ehe, Entjungferung, Beschneidung, was ich ihm zu tun habe, noch die Frauen beschnitten. Es ist eigentlich was ganz Unglaubliches, wie sich die Ideologie des Fleisches bemächtigt.
Hrdlicka: Ich bin ein Seismograf hier, Gewalt. Ich habe Gewalt erlebt, und zwar als frühester Kindheit. Ich bin noch nicht in die Schule gegangen, gab es Hausdurchsuchungen in unserer Wohnung. Mein Vater wurde in die Wand gedrückt, hat die ganzen Schränke aufgerissen, das war 34, das war der Austrofaschismus. Also Gewalt spielt in unserem Leben eine ungeheure Rolle. Du brauchst mal jetzt noch Isel schauen, nach Algerien oder nach Jugoslawien. Lächelig und auch da wird wieder Gewalt und Sexualität unheimlich vermengt. Ich möchte ja nicht Schlimmes über einen CDU-Abgeordneten sagen. Was sich der ausgedacht hat, was angeblich im Bosnien passiert ist, dass man den sechs Monaten alten Babys die Ohren abschneidet und den Herr Dahmann Hundeföten einsetzt, da muss ich schon sagen, dieser Mann sollte ein mit dem Psychoanalytiker den Dr. Freud aufsuchen oder immerhin einen seiner Schüler. Also wahrscheinlich sind sie schon interessiert, wie sehr Krieg und Gewalt und sexuelle Abwegekeit eigentlich ein unglaubliches Konklamorat ist. Auch bei Leuten die angibst, so unglaublich sittlich sind, die an natürlichen Sittenwächter sind, nur ihre Fantasie geht ihnen durch.
Hrdlicka: Und wenn ich sage, Kunst kann ohne Fleisch, also ohne Mensch nicht sein, ist ja am Burgtheater bei aller Liebe. Ich habe noch ganz selten Dreiecke und Vier Ecke Auftreten gesehen, das kommt sehr selten vor. Und im Fernsehen, ich möchte an meinem Fernsehabend sehen, wo die Leute nichts wie Dreiecke und Vierecke sehen. Die wollen natürlich den Georg Götz oder wie heißt, wollen sie sehen, das Kommissar usw. Es ist eine maßlose Verlogenheit in der Bildenkunst eingetreten, dass sie glaubt anstelle vom Fleisch spricht Mensch, was zeigen können. Das ist also mein Credo. Ich habe immer die bildende Kunst als die große Körpersprache definiert und das ist sie auch.
Fleisch, Kunst, Alfred Hrdlicka im Hamburger Rotic Art Museum
Auf dem Bild ist bei einer Ausstellung am Rudolfsplatz in Wien ist zu sehen: Kain und Abel, Homo Erectus und Robespierre